Die Möglichkeiten automobiler Assistenzsysteme entwickeln sich stetig weiter. Autobauer erklären das Lenkrad schon in naher Zukunft zur Sonderausstattung, und das vollautonome Fahren scheint keine Utopie mehr zu sein. Ist diese Entwicklung wirklich schon so nah? Und was heißt autonomes Autofahren eigentlich genau? Der Beitrag unserer Serie #ExplainIT geht diesen Fragen auf den Grund:
Die fünf Stufen des autonomen Fahrens
Wenn wir uns heute hinter das Steuer eines modernen PKWs setzen, stehen uns eine Reihe von Assistenzsystemen zur Verfügung. Angefangen vom Tempomat, oft schon mit Abstandsregulierung, über die Spurhaltekontrolle mit oder ohne Lenkeingriff bis zum Brems- oder Parkassistenten finden sich heute viele Helferlein in den Autos, die das Fahren komfortabler und sicherer machen sollen. Hinter der Technik steckt vor allem Künstliche Intelligenz (KI), die wir bereits in unserer Serie #ExlainIT erklärt haben.
Doch trotz all dieser Unterstützung: Die Hände müssen bisher noch am Lenkrad bleiben. Autonomes Fahren haben wir noch nicht erreicht und der Rollenwechsel von Fahrerin und Fahrer zu Passagierin und Passagier im eigenen Fahrzeug scheint noch in weiter Ferne. Vom unbeschwerten Filmgenuss, dem Arbeiten oder sogar dem Schlafen während der Fahrt trennen uns nach allgemeinem Verständnis mehrere Stufen: assistiertes Fahren, die Teilautonomie, hochautomatisierte Fahren, vollautomatisierte Fahren und die Vollautonomie. Letztere kann nochmals unterschieden werden, ob das autonome Fahren nur für wenige Situationen oder grundsätzlich gilt.
Damit wird deutlich, dass “autonomes Fahren” eine Art Überbegriff ist, der konkretisiert werden muss. Was die Stufen jeweils konkret bedeuten, erläutern wir im Folgenden:
Die Stufen der Automatisierung von Fahrzeugen bis zur Vollautonomie, Quelle: Verband der Automobilwirtschaft (VDA)
Assistiertes Fahren
Die sogenannte Level-1-Autonomie des Fahrens ist eine heute bereits weit verbreitete Technologie. Sie bezieht sich auf Systeme, die es dem Auto und der steuernden Person ermöglichen, die Kontrolle über das Fahrzeug zu teilen. Dazu zählt zum Beispiel eine automatische adaptive Geschwindigkeitsregelung (Adaptive Cruise Control, ACC), die die Geschwindigkeit und Distanz passend zum vorausfahrenden Fahrzeug regelt. Die Fahrerin oder der Fahrer müssen dabei jedoch immer noch auf die Lenkung achten.
Ein weiteres gutes Beispiel für dieses Level ist die Parkassistenzfunktion: Die Fahrerin oder der Fahrer steuert die Geschwindigkeit des Fahrzeugs, während sich das Auto um die Lenkung kümmert und “wie von Geisterhand” einparkt. Die Bedienung wird also geteilt.
Teilautomatisiertes Fahren
Fahrzeuge der Stufe 2 verfügen über interne Systeme, die alle Aspekte des Autofahrens – Lenken, Beschleunigen, Bremsen – grundsätzlich beherrschen. Der Mensch muss jedoch eingreifen können, wenn ein Teil des Systems ausfällt.
Hochautomatisiertes Fahren
In diesem Level können Fahrerinnen und Fahrer die Augen von der Straße abwenden. Es muss zwar immer noch jemand hinter dem Lenkrad sitzen, es wird jedoch nicht erwartet, dass man jederzeit über alles informiert ist. Man kann also telefonieren oder auch einen Film ansehen. Dennoch muss das Fahren kurzfristig übernommen werden können.
Die Grenzen zwischen autonomen Fahren und Eingriff der steuernden Person verlaufen hier fließend. Das bringt einige Schwierigkeiten mit sich – vor allem rechtlicher und ethischer Natur. Handelt es sich um eine bevorstehende Gefahrensituation, die der Algorithmus nicht bewältigen kann, hat die Fahrerin oder der Fahrer möglicherweise nicht genügend Zeit, die Situation vollständig einzuschätzen.
An den komplizierten rechtlichen Rahmenbedingungen scheiterte auch die Einführung der Funktion „Traffic Jam Pilot“ für Audi in den USA. Hier ist das autonome Fahren beschränkt auf langsame Geschwindigkeiten (bis zu 60 km/h, vor allem Stop-and-go-Verkehr) sowie auf Strecken, an denen eine physische Barriere das Fahrzeug vom Gegenverkehr trennt.
Vollautomatisiertes Fahren
Ein Level-4-fähiges Auto kann das gesamte Fahren autonom ausführen, jedoch nur unter bestimmten Umständen. So kann das Fahrzeug bei Regen oder Schneefall möglicherweise nicht selbst fahren. Uber, Lyft, Google und andere Hersteller arbeiten schon seit einiger Zeit an vollautomatisierten Fahrzeugen. Auch Honda will bis 2026 ein solches Modell bauen.
Hier ist der Wandel von Fahrerin und Fahrer zu Passagierinnen und Passagieren erfolgt. In der Realität haben jedoch bei allen Hersteller Pilotinnen und Piloten eine Art Backup-Funktion: Im Notfall muss eingegriffen werden können. Eine Ausnahme bildet Waymo, das bereits unter Level-4-Bedingungen testet: In einem Waymo-Fahrzeug gibt es in der Regel keine Sicherheitsfahrerinnen oder -fahrer mehr an Bord. Allerdings sind die Testbedingungen stark eingeschränkt, zum Beispiel durch Tests in Arizona, wo das typisch trockene Wetter das Fahren sehr erleichtert.
Autonomes Fahren
Beim “echtem” autonomen Fahren ist der Mensch in der Funktion als Fahrerin oder Fahrer nicht mehr vorgesehen. Die ersten Level-5-Fahrzeuge sind bereits auf den Straßen unterwegs – sie befördern jedoch keine Menschen, sondern Waren. So haben sich zwei ehemalige Google-Ingenieure mit Krogers, der größten Lebensmittel-Supermarktkette der USA, zusammengetan, um mit dem Start-up Nuro kleine Fahrzeuge zu testen, die Lebensmittel auf kurzer Strecke transportieren. Kein Mensch wird jemals mit diesem Fahrzeug fahren, es gibt nicht einmal ein Lenkrad.
Haftungsfragen sind zu klären
Die Technik ist also so weit. Trotz dieser ersten Beispiele sind wir heute aber noch ein ganzes Stück von der wirklichen Autonomie beim Autofahren, vor allem auf Deutschlands Straßen, entfernt. Aber der gesellschaftliche Diskurs zum Thema, vor allem mit Blick auf die ethischen Implikationen im Falle von Unfällen, ist entfacht. Ein sicheres Zeichen, dass auf lange Sicht das autonome Fahren kommen wird.
Das folgende Video gibt anhand der Haftungsfrage bei einem Unfall mit einem (teil)autonomen Fahrzeug einen guten Überblick über die aktuelle rechtliche Situation in Deutschland:
Unfall mit selbstfahrenden Autos – wer haftet für die Künstliche Intelligenz? Philip Häusser im Gespräch mit Rechtsanwalt Christian Solmecke, Quelle: Breaking Lab/Youtube
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