Hunderte Verwaltungsleistungen sollen in Zukunft nicht nur online zur Verfügung stehen. Sie sollen durch Digitalisierung auch nutzerfreundlicher werden. Aber was macht eine Verwaltungsleistung eigentlich „nutzerfreundlich“? Und welche technischen Voraussetzungen müssen dafür geschaffen werden? Das war Gegenstand einer einjährigen wissenschaftlichen Begleitforschung des Münchner Projekts E- und Open Government durch das bayerische Landesforschungsinstitut fortiss. Peter Kuhn, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei fortiss, gibt Einblick in Schwerpunkte und Ergebnisse.
Sieben Prinzipien für die Verwaltung der Zukunft
Im Zuge der wissenschaftlichen Begleitforschung hat das Team von fortiss ein „Zielsystem Servicequalität“ entwickelt. Darin eingeflossen sind bestehenden Überlegungen der Stadt München und aktuelle Erkenntnissen aus der Forschung. Danach sollen Verwaltungsleistungen wie folgt gestaltet sein:
- An einem Ort verfügbar (Portal-Prinzip)
- Über unterschiedliche Kanäle verfügbar, etwa Webportal und Apps (Multichannel-Prinzip)
- An individuelle Bedürfnisse angepasst (Customization-Prinzip)
- Höchste Anforderungen an das Nutzungserlebnis (UX-Design)
- Den Grundsätzen von Sicherheit und Datenschutz folgend
- Proaktivität: Leistungen werden von der Verwaltung selbst angestoßen.
- Interaktionslosigkeit: Im besten Fall entfällt der Antrag sowie weitere Aufwände komplett. Ansonsten gilt „Once Only“
Gar nicht so trivial: Elektronische Bescheide
Neben dem Antrag soll auch der Bescheid – wenn möglich – digital ausgegeben werden. Doch diese Anforderung hat zahlreiche Herausforderungen, wie unsere Begleitforschung zeigt. Denn die Adressaten müssen über den neuen Bescheid benachrichtigt werden und die Datenübertragung muss sicher sein. Doch am schwierigsten ist die juristische Forderung zu erfüllen, dass die sogenannte „Bekanntgabe des Bescheids“ nachweisbar ist. Der bloße Beleg für den Versand einer E-Mail reicht dafür nicht.
Basierend auf diesen Anforderungen haben wir bestehende Komponenten wie De-Mail und das bayerische Bürgerkonto auf ihre Eignung überprüft. Ergebnis: Noch deckt kein Kommunikationskanal alle Anforderungen ab.
Durch Kombination mehrerer Bausteine lassen sich jedoch geeignete technische Lösungen entwickeln. Nach Beendigung unserer Begleitforschung wurde für diesen Zweck das ELSTER-basierte Unternehmenskonto verstärkt betrachtet.
Die Begleitforschung zur IT-Architektur
Die Umsetzung elektronischer Bescheide und nutzerfreundlicher Konzepte basiert auf einer Vielzahl von IT-Komponenten. Diese müssen alle typischen Verwaltungsinteraktionen abdecken wie Informationsbeschaffung, Antrag, Statusabfrage, Bescheid und Registerabfragen. Ein modularer Aufbau der IT-Gesamtarchitektur ist dafür Voraussetzung. Dazu gehören optimale Schnittstellen zur Verknüpfung interner Systeme der Behörden (Backoffice) und der Anwendungsebene (Frontoffice). So lassen sich auch externe Komponenten des Bundes und des Freistaats gut integrieren. Zudem kann die IT auf Veränderungen flexibel reagieren und unterschiedliche Service-Kanäle anbieten.
Ergebnis der Ist-Analyse im Rahmen der Begleitforschung in diesem Punkt: Die aktuelle IT-Landschaft deckt grundsätzlich alle Stufen des E-Government ab. Es sind Information, Kommunikation und Transaktionen möglich, sowie die Herstellung von Transparenz, Partizipation und Kooperation.
Bisher umfassen die Online-Services in München jedoch nur einen Teil der vom Onlinezugangsgesetz geforderten digitalen Leistungen. Zudem gilt es viele Schnittstellen zu realisieren und das Gesamtsystem einheitlich zu strukturieren. Um das zukünftig zu erreichen, wurde im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit eine SOLL-Architektur beschrieben, an der sich die Weiterentwicklung der städtischen IT orientieren kann. Ähnlich wie beim Online-Shopping wären dann Verwaltungsleistungen komplett digital und nutzerfreundlich – vom Antrag bis zum Bescheid.
Wir bedanken uns beim Team für E- und Open Government für die gute Zusammenarbeit und freuen uns, dass der Kontakt auch nach Beendigung des Projektes erhalten bleibt.
Weitere Information zur Begleitforschung und fortiss
Bei Fragen ist der Autor unter pkuhn@fortiss.org erreichbar. Weitere Mitglieder im Team wissenschaftlichen Begleitforschung waren Dian Balta, Micha Lutz und Thomas Weber.
Mehr Information zur wissenschaftlichen Begleitung und zum Institut gibt es auf der Webseite der fortiss GmbH, Landesforschungsinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme.
super spannend Herr Kuhn☺