Die digitale Transformation: Weg vom Analogen, hin zu mehr Digitalisierung durch innovative Technologien, flexible Strukturen, agile Prozesse und neue Geschäftsmodelle.
Dieser Wandel verändert auch unsere Arbeitsweisen maßgeblich. Es besteht Einigkeit darüber, dass das „Hier und Jetzt“ nicht ausreicht, um in einem Morgen der digitalen Möglichkeiten zu bestehen. Auf Basis verschiedener Analysen werden daher Strategiepapiere verfasst, welche auch die vorhandenen Ressourcen und Rahmenfaktoren berücksichtigen. Dazu gehört insbesondere die Digitale Fitness der eigenen Beschäftigten und Führungskräfte.
Was bedeutet Digitale Fitness?
Unter Digitaler Fitness verstehen wir das Vermögen der Beschäftigten, sich leistungsfähig in die digitale Transformation einzubringen und den daraus resultierenden Belastungen standzuhalten. Konkret machen wir Digitale Fitness – in Anlehnung an die Arbeiten des Organisationspsychologen von Rosenstiel – an vier gut greifbaren Verhaltensbedingungen fest:
- Das Kennen und Können, um einen wirksamen Beitrag zur Digitalisierung zu leisten. Das bedeutet, über die fachlichen, methodischen, sozialen Kompetenzen zu verfügen.
- Das Wollen, also die Bereitschaft und Motivation, diesen Beitrag zu leisten.
- Das wahrgenommene Sollen oder Dürfen, sich in diesen Entwicklungsprozess einzubringen. Das betrifft auch den erlebten beziehungsweise verstandenen Auftrag.
- Die erkannten Möglichkeiten und Rahmenfaktoren, die überhaupt erst den Weg ebnen, einen Beitrag leisten zu können.
Der Unterschied zwischen Start-up und Behörde
Klar, dass diese Digitale Fitness je nach Person unterschiedlich ausfällt. Besonders deutlich wird der Unterschied, wenn man Start-Ups und öffentliche Organisationen vergleicht:
Start-Ups haben die Chance, „auf der grünen Wiese“ zu starten. Sie können – je nach Kapitalausstattung und Bedarf – Talente mit hoher Digitaler Fitness gewinnen.
Andere Organisationen dagegen müssen auf die Digitale Fitness des gegebenfalls schon länger bestehenden Personals setzen. Auch können Behörden bei der Personalgewinnung der digitalen Talente finanziell nur bedingt mithalten. Unsere Gespräche mit Verantwortlichen zeigen daher, dass der Blick auf die digitale Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der aktuellen Mannschaft immer öfter in den Fokus rückt.
Digital Fitness Check durch Mitarbeiterbefragung
Ein Digital Fitness Check der eigenen Beschäftigten kann eine gute Basis liefern und über eine Mitarbeiterbefragung erfolgen. Zu den vier genannten Dimension haben wir dazu bewährte Leistungsmerkmale formuliert, anhand derer sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Führungskräfte einschätzen können. Die Diskussion über die Digitale Fitness kann auf Grundlage dieser Ergebnisse deutlich konkreter und verlässlicher ausfallen als auf Basis von Einzelwahrnehmungen einzelner Akteure.
Folgend möchten wir einen Einblick in die Inhalte der jeweiligen Teildimension geben:
Kennen und Können
Unseren Erfahrungen nach, kann man in vielen Organisationen nicht davon ausgehen, dass die Beschäftigten eine vorhandene digitale Strategie ausreichend kennen und das Zielbild der digitalen Transformation verstanden haben. Wenn dieses Verständnis fehlt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch keine motivationale Kraft entstehen.
Das individuelle „Können“ dagegen bezieht sich auf die eigenen digitalen Fähigkeiten. Sie sind Grundlage für ein persönliches Engagement in wichtigen Entwicklungsprojekten der digitalen Transformation oder für die Nutzung von neuen Technologien im Tagesgeschäft. Hierzu zählen insbesondere Kenntnisse zur Nutzung von Softwarelösungen.
Wollen
Das „Wollen“ umfasst die Motivation des Einzelnen sich einzulassen auf die anstehenden Veränderungen. Es beinhaltet die Bereitschaft, (laufende) Veränderungen mitzugestalten und auch von bestehenden Prozessen und Arbeitsweisen Abschied zu nehmen.
In unseren bisherigen Bestandsaufnahmen erleben wir eine dahingehend hohe Bereitschaft, sich in die Digitalisierungsbestrebungen einzubringen. Aber wir erleben auch Interessenlosigkeit, Resignation („Ich kann ja eh nix machen – wir werden ja eh wegdigitalisiert“) oder auch Reaktanz („Mit mir nicht, solange ich da bin“). Reaktanzreaktionen können zum Beispiel durch erlebte Unsicherheiten und fehlende, gewohnte Planbarkeiten entstehen. Gerade in deutschen, gut strukturierten Organisationen fällt der Umgang mit Unsicherheit und möglichen Fehlern gelegentlich schwer.
Sollen und Dürfen
Das Sollen und Dürfen umfasst die formalen und informalen, expliziten und impliziten Regeln in der Organisation und des sozialen Umfeldes der Beschäftigten. Im Kontext der Digitalisierung geht es darum, welches Verhalten das soziale Arbeitsumfeld wünscht und wie viel Spielraum die Organisation den Beschäftigten einräumt.
Dazu zählen auch (gefühlte) Rechte, sich kritisch in Diskussionen einzubringen und Fehler zu machen. Gerade diese Aspekte werden immer wieder kritisch bewertet. Bestehende, oft auch hierarchische Strukturen verhindern eine aktive und offene Fehlerkultur – auch wenn diese offiziell so kommuniziert wird.
Möglichkeit
Ob sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Führungskräfte in den anstehenden Wandel einbringen, hängt sowohl von der objektiven Ermöglichung durch die Organisation als auch von der subjektiven Wahrnehmung des Umfeldes ab.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass Beschäftigte bei den vorhandenen eigenen Möglichkeiten häufig große Defizite sehen. Informationspolitik, Zeitknappheit und hohe Aufgabenlast sowie die verfügbaren Schulungsangebote zu digitalen Kompetenzen werden oft als wesentliche Restriktionen angeführt.
Wer mehr über Digitalen Fitness erfahren möchte, dem seien folgende Quellen empfohlen:
- Körber Stiftung (2018). Technik Radar 2018. Was Deutsche über Technik denken. Schwerpunkt: Digitalisierung. (Langfassung). München/Hamburg. Abgerufen am 20. Februar 2020,
- Pousttchi, K. (2018). Digitale Transformation. In: Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik. Abgerufen am 20. Februar 2020, Webseite
- Von Rosenstiel, L. / Nerdinger, F. W. (2011). Grundlagen der Organisationspsychologie. 7. Auflage. Stuttgart. Schäffer-Poeschel Verlag.
Die Gastautoren

Prof. Dr. Andreas Schöler beschäftigt sich mit Fragestellungen der kundenorientierten Organisationsentwicklung. Er unterstützt Organisationen und begleitet Führungskräfte aus unterschiedlichen Branchen bei wirksamen Research- und Veränderungsprojekten auf dem Weg zur stärkerer Kundennähe und nachhaltiger Kundenbindung. An der Hochschule für angewandtes Management ist er Professor für Konsumentenpsychologie und Dienstleistungsmanagement. Neben seiner Lehrtätigkeit ist er Geschäftsführer der Compagon GmbH & Co. KG mit Sitz in Gräfelfing bei München.

Prof. Dr. Karl Peter Fischer ist Diplom Psychologe Univ. und promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er ist Professor für Markt- und Werbepsychologie und Online-Kommunikation an der HAM Hochschule für angewandtes Management. Seit 24 Jahren ist er Inhaber und Geschäftsführer der 4m Agentur für Marketing und Dialog-und Verkaufsmarketing in München, die sich heute sehr stark mit E-Commerce beschäftigt. Zu seinen Forschungsgebieten zählt die Digitalisierung des Dialoges und Digital Readiness.

Prof. Hans-Peter Mayer ist Dekan der Fakultät für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für angewandtes Management. Neben seiner Leitungs- und Lehrtätigkeit führt er das Institut für Public Management. Das Institut befasst sich mit Innovationen und Optimierungsansätzen für öffentliche Verwaltungen. In dieser Funktion begleitet er öffentliche Verwaltungen auch aktiv bei Veränderungsprozessen und unterstützt beratend. Er beschäftigt sich intensiv mit dem Thema „Smart City“ und deren strategischer Implementierung in Regionen und Städten.
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