Im März 2021 präsentierten sechs Städte, darunter München, auf der Jahreskonferenz des IT-Planungsrates in Dresden gemeinsame Vorschläge für eine tiefgreifende Neuausrichtung der Digitalisierung der kommunalen Verwaltung. Als „Dresdner Forderungen“ prägen sie seitdem das Ringen um die digitale Transformation der Kommunen. Im Mai wurden sie vom Deutschen Städtetag formell adaptiert. Unser CDO und IT-Referent Thomas Bönig ist seit Jahren einer der aktivsten Verfechter eines modernen Verständnisses von digitaler Verwaltung. Gemeinsam mit Wolfgang Glock, Co-Autor der Dresdner Forderungen, hat er zusammengefasst, worum es bei dieser Diskussion geht.
Hintergrund der Dresdner Forderungen
In der Münchner Stadtverwaltung wird, wie in vielen anderen Kommunen auch, mit hohem Engagement an der Digitalisierung der Verwaltung gearbeitet. Im Fokus steht derzeit vor allem die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), über die wir auch hier in unseren Blogbeiträgen zu neuen Online-Services immer wieder berichten. Sind die Kommunen also auf einem guten Weg? Leider nein.
Derzeit wird zwar viel Geld in die Entwicklung von über 575 sogenannten OZG-Leistungsbündeln gesteckt, die laut OZG bis 2022 von Bund, Ländern und Kommunen bereitzustellen sind. Dabei wurde auch das EfA-Prinzip „Einer für Alle“ postuliert. Das klingt erst mal gut. Denn Onlinedienste an sich sind zunächst einmal ein gutes Angebot und natürlich sollten die gleichen Dinge nicht zigmal parallel entstehen. Doch das aktuelle OZG-Vorgehen, auch mit dem EfA-Prinzip, führt nicht zu dem, was die Kommunen wirklich brauchen: schlanke, nutzungsfreundliche digitale Angebote, die möglichst vollautomatisiert und damit schnell ablaufen. Denn es fehlen ein schlüssiges Gesamtkonzept, eine gemeinsame Architektur und weitere Grundlagen, wie all die vielen Neuentwicklungen nach 2022 ineinander fließen, wie sie betrieben und langfristig finanziert werden.
Hohe Komplexitätsproblematik auf kommunaler Ebene
Dazu muss man wissen, dass die verschiedene Vorgaben zum OZG vom Bund oder von den Ländern kommen. Hier sind große IT-Dienstleister angesiedelt, etwa die bayerische AKDB. An vielen Stellen sind auch externe Dienstleister eingebunden, deren Zahl derzeit deutlich zunimmt. Die kommunale Ebene ist in diese übergreifenden Gestaltungsprozesse nur punktuell eingebunden, wenn überhaupt.
Auf kommunaler Ebene müssen jedoch die OZG-Angebote für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wirtschaft konkret angeboten und abgewickelt werden. Zudem sind in den einzelnen Kommunen Fachverfahren und ePayment zu integrieren und notwendige fachliche Anforderungen zu ergänzen. Das nachfolgende „Wimmelbild“ zeigt die Komplexitätsproblematik hinsichtlich Zuständigkeiten und Kommunikationswegen. Da sei die Frage erlaubt: „Wie soll das in der Praxis funktionieren?“
Die Servicedimension der Dresdner Forderungen
So, wie es derzeit läuft, droht die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes vom Treiber zum Hemmnis einer echten und dringend benötigten kommunalen Digitalisierung zu werden. Gut funktionierende Verwaltungsprozesse haben lange Zeit zum Erfolg unseres Landes beigetragen. Jetzt, in einer Welt, in der sich der Wandel immer mehr beschleunigt, wird die kaum noch zu bewältigende Bürokratie zum Risiko.
Wir müssen deshalb nicht „die bisherige Verwaltung digitalisieren“, sondern viel weiter gehen. Die Menschen wollen keine Formulare mehr mit Daten befüllen, die der Verwaltung längst bekannt sind. Ziel muss es sein, dass wir sie damit nicht mehr behelligen. Unsere Vision ist, dass die kommunalen Angebote beispielsweise auch Sprachsteuerungen unterstützen oder ein Mausklick auf die Lebenslage „Ich ziehe um“ Prozesse in der digitalen Verwaltung anstößt, die dann weitgehend automatisiert alles Notwendige erledigen, bestehende Informationen nutzen und nur neue Daten abfragen. Auf Wunsch muss das auch proaktiv und KI-gestützt seitens der Kommune direkt erfolgen. Denn schließlich steckt in den bereits vorhanden Daten die Information, welche Bedarfe bei den Menschen anstehen: wann ein Personalausweis abläuft, der Parkausweis zu verlängern ist, oder wann es Zeit wird für die Schulanmeldung eines Kindes.
Solche Ziele werden durch Online-Angebote nach OZG nicht erreicht. Es besteht die Gefahr, dass die OZG-Umsetzungen enorme Summen und Ressourcen binden werden, die dann für eine solche „echte Digitalisierung“ der Verwaltung fehlen.
Die Technikdimension der Dresdner Forderungen
Die „Dresdner Forderungen“ können und sollen Treiber für die Diskussion um die Anpassung der bisherigen technischen Konzepte (OZG) und Gestaltung von modernen und effektiven digitalen Lösungen (Plattformen) sein. Wir wünschen uns eine übergreifende, standardisierte Plattform für alle Kommunen, die zur nachhaltigen Entwicklung der künftigen digitalen Verwaltung beiträgt. Bei der OZG-Umsetzung haben wir mit der Städtekooperation bereits erste Erfolge erzielen können. Doch wir brauchen diese Kooperation und Abstimmung auch auf Bundes- und Länderebene auf Augenhöhe.
München wird sich weiter intensiv zum Thema Modernisierung der digitalen Verwaltung und für die Realisierung echter digitaler Angebote für alle Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wirtschaft einbringen und dabei Lösungen und Erkenntnisse mit anderen Kommunen teilen.
Wer sich tiefer in dieses komplexe Themenfeld der Verwaltungsdigitalisierung auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene einarbeiten möchte, findet mehr Information über folgende Links:
- Zusammenfassung der Dresdner Forderungen in einer Präsentation (PDF)
- Vortragsvideo (60 Minuten) von CDO Thomas Bönig zum Münchner Weg der Digitalisierung
- Podcast (80 Minuten) der Fachzeitschrift e-Government, mit Vertretern des IT-Dienstleisters AKDB und Thomas Bönig
- Erklärvideos zum aktuellen Ansatz „Einer für alle“ auf der Webseite „Onlinezugangsgesetz“.
Die Dresdner Forderungen beschreiben die “durchgängige” Digitalisierung sehr gut – und OZG als Treiber zu nutzen, in welchem auch die Medienbrüche vom Frontent in die Backendanwendungen überwunden werden, ist ein guter und richtiger Ansatz.