Was macht eine Krise wie Corona mit der Gesellschaft? Ändert sich die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen? Das im Mai erschienene “Corona-Update” des Werteindex 2020 gibt eine Antwort darauf, wie häufig und in welchen Zusammenhängen unsere zehn grundlegendsten Werte in sozialen Medien diskutiert werden, und wie sich dieses Bild durch Corona verändert hat. Mit erstaunlichen Ergebnissen:
Der Werteindex 2020
Das Münchner Trendforschungsunternehmen Trendbüro hat auch dieses Jahr wieder zusammen mit den Partnerorganisationen Bonsai, measury und der ebenfalls in München ansässigen Datenanalyseberatung Kantar die aktuelle Wertediskussion im deutschsprachigen Internet erfasst. Dafür wurden über 3,3 Millionen deutschsprachige Social Media-Posts analysiert. Nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie und dem ersten Lockdown im Frühjahr unterzog man den Werteindex einer Revision. Es wurde gefragt, ob das Erleben der Pandemie einen Wertewandel erzeugt oder bestehende Trends verstärkt.
Weniger Lifestyle, mehr Politik
Die globale Ausnahmesituation rund um COVID-19 hat einschneidende Veränderungen in unseren Alltag gebracht. Politische Diskussionen und Entscheidungen nahmen dabei eine Schlüsselrolle ein. Im Zeitraum der ersten zugespitzten Phase der Pandemie von März bis Mai nahmen daher die bereits im Werte-Index 2019 beobachteten thematischen Veränderung der Wertediskussion zu: Weniger Lifestyle, mehr Politik und ein deutlich höheres Level an kritischen und reflektierten Meinungsäußerungen.
Werte während Corona: Ehrlichkeit und Transparenz wieder in den Top 10
Auf den ersten Blick hat sich an der Reihenfolge des Rankings im Werteindex 2020 nicht viel geändert: Unter den Top 7 reihen sich noch immer Gesundheit, Familie, Freiheit, Erfolg, Sicherheit, Natur und Gemeinschaft ein. Auf den zweiten Blick ist dann aber doch Entscheidendes festzustellen: Ehrlichkeit verdrängt den Wert Nachhaltigkeit aus den Top 10! Ehrlichkeit – insbesondere in Bezug auf mehr Transparenz – bekommt in einem sachlich geführten Diskurs eine neue Qualität und steigt damit seit Jahren erstmals wieder im Werte-Ranking.
Auch ist auffällig, dass der Wert Freiheit nach seinem kontinuierlichen Abstieg von Platz eins zu Beginn der Werte-Langzeitstudie auf den vierten Platz 2018 in diesem Jahr wieder unter den Top 3 ist. Diese Sehnsucht vieler Menschen nach einer Rückkehr in eine „normale“, grenzenlos freie Welt ist die Ursache. Aber nicht nur in Bezug auf diese örtliche Freiheit zeigt sich eine Verschiebung im Werteindex. Auch ein selbstbestimmteres und nach anderen Maßstäben organisiertes Leben und Arbeiten steht im Fokus.
Die Sehnsucht nach Gemeinschaft, Transparenz und Gesundheit
Im Lockdown haben Konsumentinnen und Konsumenten gelernt, sich selbst und ihren Bedürfnissen mehr Raum zu geben. Angesichts der Pandemie steht für die Menschen heute vor allem ein hohes Sicherheitsbedürfnis im Vordergrund. Das Ohnmachtsgefühl der aktuellen Krise führt dazu, dass wir dem gefühlten Kontrollverlust entgegenwirken wollen. Dazu gehört auch, seine Mündigkeit im digitalisierten Alltag zu behaupten und kurzfristig nicht taugliche Lösungen zu ändern oder gar wieder abzuschaffen.

Werteentwicklung seit Beginn der Corona-Krise, Quelle: Kantar/Trendbüro
Auch Diskussionen in den sozialen Medien zu Gesundheit und Familie haben durchaus zugenommen. Stark ist der Wunsch, Gemeinschaft bewusst zu gestalten und zu feiern. Gesundheit bleibt außerdem das mit Abstand wichtigste Thema. Bemerkenswert: Die Zahl der Diskussionen zum Wert Natur nimmt seit Beginn der Krise kontinuierlich zu.
Fazit: Mehr gemeinsame Werte in der Digitalisierung schaffen
Die Krise und die durch sie bedingte soziale Distanz werden zum Katalysator bereits beobachtbarer gesellschaftlicher Trends wie der Digitalisierung. Das beflügelt digitale Produkte und Services, die den Menschen einen echten Mehrwert versprechen. Nutzerzentrierung ist das Gebot der Stunde. Daneben zeigen die Ergebnisse, dass wir diskutieren müssen, wie wir miteinander leben und arbeiten wollen.
Mit dem gestiegenen gesellschaftlichen Bewusstsein wird vermehrt die große Frage der Sinnhaftigkeit gestellt, und vor diesem Hintergrund auch Unternehmen als prägende Akteure wahrgenommen. Der Unternehmenszweck wird vermehrt einer Frage nach dem Sinn unterzogen: Wofür gibt es das Unternehmen? Wozu leistet dieses Unternehmen einen gesellschaftlichen Beitrag?
Der Werteindex 2020 zeigt, dass die Entwicklung weggeht vom Shareholder Value hin zu Creating Shared Value. Wachstum wird für Unternehmen und Wirtschaft neu definiert. Organisationen müssen die eigenen Werte hinterfragen, aktiv Verantwortung übernehmen und die Gesellschaft gestalten – und das mit allen Bürgerinnen und Bürgern.
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