Ein Schulsystem ohne Notenvergabe? Klassenarbeiten, die wiederholt werden dürfen, bis man mit dem Ergebnis zufrieden ist? Solche Herangehensweisen lernten die Teilnehmenden beim letzten externen Learn@Lunch, der Eventserie für die Mittagspause, kennen. Referent war Dr. Simon Maria Hassemer, Fortbilder und Referent am Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg. Dort befasst er sich unter anderem mit dem Einsatz von Extended Reality, Gamification und Serious Games. Er berichtete, wie er mit den Prinzipien von Gamification im Umfeld Schule dafür sorgt, dass Schülerinnen und Schüler auf eine spielerische Weise ihren Bildungsweg (mit-)gestalten. Hier eine Zusammenfassung einiger Thesen und der Link auf das Vortragsvideo.
Die Sache mit dem Flow
Game ist das englische Wort für Spiel. Gamification bedeutet, dass man Spielprinzipien in einen nicht-spielerischen Kontext überträgt. Das tut man unter anderem, weil Spiele verschiedene Mechanismen haben, die Spaß und Motivation steigern können. In der Psychologie sind Lernen und Spielen neurobiologisch gesehen dasselbe.
Es wird in diesem Zusammenhang auch oft von einem „Flow Channel“ gesprochen. Das heißt wörtlich übersetzt Strömungskanal. Flow steht jedoch auch für einen mentalen Zustand, in dem man eine beglückend empfundene Vertiefung in das eigene Tun erfährt.
Bei den Forschungen zum Flow stellte man fest, dass Handlungen, die einen sofort erkennbaren Effekt erzielen, motivierend sind. Eine weitere Voraussetzung für einen Flow-Zustand, liegt darin, dass Anforderungen und persönlichen Kompetenz zusammenpassen. Der Flow Channel ist jener Korridor, in dem Schwierigkeit und Fähigkeit individuell passen, also weder Unter- noch Überforderung entsteht.
Fünf Säulen für Gamification
Basierend auf einer Theorie von Roman Rackwitz, einem der Pioniere für Gamification, stellte Simon Hassemer fünf Säulen vor, die motivierendes spielerisches Verhalten im Arbeitsumfeld definieren: Transparente Informationen, sofortige Rückmeldung, Ziele und Regeln, maximale Freiheiten und – für den Flow-Channel passende – Herausforderungen.
Diese fünf Säulen können auf das Schulsystem angewendet werden. Der Reihe nach können sie wie folgt adaptiert werden:
- Die im Unterricht verwendete Sprache ist für alle gut verständlich.
- (Positives) Feedback wird sofort mitgeteilt.
- Es gibt verständlich definierte angemessene Lernziele.
Die letzten beiden Säulen lassen sich nur begrenzt auf den Schulbetrieb übertragen. Da besteht noch Optimierungsbedarf.
- So ist die „Maximale Freiheit“ im Schulkontext noch ausbaufähig.
- Da der Flow-Channel individuell ist, ist die Annahme veraltet, dass 30 Schülerinnen und Schüler Unterrichtsmaterial gleichzeitig gut aufnehmen können.
Gamification und die Rolle der Noten
Gibt es im klassischen Schulsystem schon Ansätze von Gamification? Ja, das Notensystem. Es ist eine extrinsische, also von außen kommende Motivation, die einen veranlasst, etwas zu tun, wofür dann eine Note vergeben wird. Die Note dient in diesem Fall als Feedback an die Schülerinnen und Schüler. Inwiefern das Notensystem ein sinnvolles Feedback ist, darüber lässt sich streiten.
Denn ein Feedback sollte vielmehr ein „Feedforward“ sein, also eines, das einen vorwärts (englisch: forward) bringt. Dies ist der Grund, wieso Simon Hassemer als Lehrkraft seinen Schülerinnen und Schülern eine interessante Möglichkeit bot: Sie durften Klassenarbeiten mit dem gleichen Themenbezug wiederholen, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden waren. Denn das, so der Gedanke dahinter, steigert die Motivation, aus den eigenen Fehlern zu lernen.
Mit dem Fähigkeiten-Baum Kompetenzen sichtbar machen
Ein weiterer Ansatz, den Schülerinnen und Schülern mehr Gestaltungsfreiheit hinsichtlich ihres Bildungsweges zu ermöglichen ist der „Skill Tree“, deutsch Fähigkeiten-Baum. Mit dem Bild dieses Baumes sollen die individuellen Kompetenzen sichtbar gemacht werden, damit sie dann bewusst gestärkt und gefördert werden.
So ist Gamification im Schulalltag für Schülerinnen und Schüler eine Chance, sich selbst und die eigenen Fähigkeiten kennenzulernen und zu stärken. Das kann individuelle Lernerfolge fördern und unterstützen. Spielen und Lernen sind daher zwei wichtige Begriffe, die öfters im Schulkontext vereint werden sollten, findet Simon Hassemer. Weswegen er mittlerweile seine Berufung im Lehrkräfteausbilden gefunden hat.
Sie wollen mehr über diesen Ansatz erfahren? Dann laden wir Sie ein, das etwa 30-minütige Vortragsvideo anzuschauen.
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