Zwischen Tradition und Aufbruch: Wie agil sind die städtischen IT-Projekte?

6. Oktober 2021
Ein Beitrag von Ralf Gabriel

Öffentliche Verwaltungen sind eher weniger dafür bekannt, besonders agil zu arbeiten. Andererseits ist agiles Arbeiten in Münchens Stadtverwaltung an vielen Stellen heiß ersehnt. Um die Entwicklung zu mehr Agilität bei städtischen IT-Projekten zügig voranzubringen, fördert und koordiniert ein referats­über­greifendes Team die Agile Transition, also den Übergang zu mehr Agilität in Projekten. Andere Städte und Kommunen blicken interessiert auf die Ergebnisse und Erfahrungen. In diesem Beitrag aus unserer Serie #ITforMUC gibt Ralf Gabriel, Leiter der feder­führenden Stabstelle im IT-Referat, einen Überblick über Heraus­forderungen, Erreichtes und Ziele.

Herausforderungen für agiles Arbeiten

Die Projektlandschaft der Landeshauptstadt München ist enorm vielseitig, komplex und herausfordernd. Deshalb investiert diese seit Jahren viel in einheitliche professionelle Projektmanagement-Verfahren, Regeln und Leitplanken. Im Zuge einer über Jahre angelegten Fachkarriere IT-Projekt­management können sich Kolleginnen und Kollegen zu Profis in diesem Bereich entwickeln. Das Thema Agilität beschäftigt uns intensiv und eine der zentralen Fragen lautet:

Wie weit wollen und müssen wir agil werden und wie erreichen wir das?

Denn nur in Ausnahmefällen kann unsere IT auf der “grünen Wiese” einen schicken neuen Service entwickeln. Bei den meisten Themen haben wir es mit gewachsenen Strukturen und einem umfassenden Regelwerk zu tun. Etwa strenge Vorgaben für Ausschreibungen, hohe Anforderungen an Qualität, revisionssichere Dokumentation, IT-Sicherheit und Datenschutz. Für das, was wir vorhaben, brauchen wir Zustimmung und Unterstützung des Stadtrats. Zudem gibt es viele Schnittstellen zu Verfahren auf Bundes- und Landesebene. Und nicht zuletzt zu aktuellen Entwicklungen in der städtischen Haushaltsplanung.

Auf dem Weg zu agilen IT-Projekten

Das Interesse an mehr Agilität in IT-Projekten ist hoch! Um agile Themen voranzubringen, haben wir bereits etliche Rahmenbedingungen geändert und die Kompetenz für agile Methoden erhöht. Wesentliche Elemente dafür waren zum einen die Erweiterung unseres Projektmanagement-Leitfadens um Elemente wie agiler Projektauftrag oder agiles Vorgehensmodell. Zum anderen wurden Schulungen zum agilen Projektmanagement angeboten.

Eine kleine Kulturrevolution steckt in der Definition neuer Projektrollen. Denn mit der Rolle „Product Owner“ übernimmt der Fachbereich zum ersten Mal eine aktive Rolle im IT-Projekt. Welche Ziele und Funktionalitäten soll unser Service verwirklichen? Die Antwort auf diese Frage wird anfangs grob umrissen. Dann ist die Rolle “Product Owner” laufend in die Produkt- oder Service-Entwicklung eingebunden, um das gewünschte Endergebnis immer genauer zu beschreiben. Für den Fachbereich ist das eine neue Herausforderung und auch eine zusätzliche Arbeitsbelastung. Doch mit dem Projektfortschritt wächst auch dort die Begeisterung:

So können wir laufend dazu beitragen, dass wir wirklich bekommen, was wir wollen.

Statements zu solchen Erfahrungen finden sich in früheren Blogbeiträgen zur agilen Entwicklung der Plattform muenchen.de oder einem Beispiel aus dem Kommunalreferat im Beitrag zum agilen Vorgehen. Fachliche Unterstützung erhalten die Product Owner (PO) oft von einem sogenannten „Proxy PO-Team“. Zwei Kollegen mit dieser Rolle haben hier einen Beitrag zum Wohnungsantrag online veröffentlicht.

Während die Rollen von Developer (Entwicklung), Scrum Master (Unterstützung zu agilen Arbeitsweisen im Alltag) und agilen Coaches weitgehend den agilen Standards entsprechen, fällt die Rolle „Projektleitung“ etwas aus dem Rahmen. Sie ist vor allem der oben schon skizzierten  Tatsache geschuldet, dass agile Arbeitsweisen bei uns auf mehr traditionelle Planungs-, Controlling-, Dokumentations-, Compliance- und Berichtspflichten treffen. In kleineren Projekten kann sie mit der Rolle „Scrum Master“ zusammenfallen.

Agile Methoden und Tools

Ein Schwerpunkt in diesem Jahr war die Einführung agiler Standard-Werkzeuge.

  • Die agilen Teams nutzen Jira als Projekt- und Anforderungsmanagement-Tool sowie Confluence für die Zusammenarbeit.
  • Ergänzend im Einsatz sind das Entwicklertool Gitlab für die Verknüpfung von Entwicklungs-Tasks sowie das Jira-Plugin XRAY fürs Testmanagement.
  • Projektplanung und das übergreifende Multiprojektmanagement laufen wie bei klassischen Projekten in dem Tool Planisware.

Das alles sind Lösungen, die auch in vielen innovativen Unternehmen der Wirtschaft die Softwareentwicklung bestimmen. Für uns als Stadt München sind sie schon deshalb ein Muss, weil es sonst schwierig wird, Nachwuchs zu gewinnen. Abgesehen von unserem InnovationLab ist der Einsatz dieser Tools und Methoden im Alltag noch eher die Ausnahme. Aber es geht stetig voran. Derzeit sind rund 100 Projekte in Jira angelegt. Über 1000 Nutzerinnen und Nutzer aus 16 Referaten sind in Jira lizenziert, 600 in Confluence.

Als wichtigster Erfolgsfaktor bei der Einführung haben wir eine gute, schnelle und praxisnahe Einweisung erlebt: Je schneller neue Projektbeteiligte ins Handeln kommen, desto besser gefällt ihnen die neue Arbeitsweise. Erfreulicherweise greifen zudem auch Teams in klassischen Projekten gerne agile Erfolgsfaktoren auf. Ganz oben auf der Beliebtheitsskala:

  • Agile Werte wie Transparenz, Einfachheit und Respekt
  • Stärkere Rollen mit mehr Handlungsspielraum (Product Owner)
  • Kürzere Projektphasen, strikter organisiert
  • Frühe Präsentationen und Abnahmen von Teilergebnissen
  • Retrospektiven nach jeder Projektphase

 

Interesse an Austausch?

Die agile Transition in einer Behörde ist keine einfache Aufgabe. Umso schöner, dass in allen Bereichen Kolleginnen und Kollegen mit Herzblut daran arbeiten und die Fachbereiche bei guter Begleitung gerne und gut mitziehen. Wenn auch Sie in diesem Bereich engagiert sind und Erfahrungen mit uns teilen wollen, kontaktieren Sie uns gerne per Mail an ralf.gabriel@muenchen.de oder agile-transition@muenchen.de.

 

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Ralf Gabriel - Leiter IT-Projektmanagement und agile Transition bei der LHM
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Ralf Gabriel
Leiter IT-Projektmanagement und agile Transition bei der LHM
Elisabeth Wagner -
Co-Autoren­schaft:
Elisabeth Wagner