Leitplanken der EU für Künstliche Intelligenz

20. März 2020
Ein Beitrag von Dr. Stefan Döring
Die Kommission der Europäischen Union hat in einem Weißbuch ihre Vorstellungen zur Künstlichen Intelligenz (KI) präsentiert. Das vorliegende Dokument ist der Versuch, zwei Ziele zu verbinden: eine auf globaler Ebene führende Rolle bei Entwicklung und Einsatz von KI und die Stärkung europäischer Werte. Was das konkret heißt, erläutern wir im Beitrag.
Die Vorgaben, die sich aus dem Weißbuch der EU-Kommission ableiten lassen, werden unser aller Leben beeinflussen. Denn Künstliche Intelligenz, oder auch kurz KI, wird viele Bereiche unserer Gesellschaft durchdringen.

Warum das so ist, was KI eigentlich bedeutet und welche Anwendungsfälle bereits existieren, haben wir in diesem Beitrag unserer Serie #ExplainIT erklärt.

Europa an der Spitze beim Thema Künstliche Intelligenz

Bei vielen neuen Technologien machen globale amerikanische und chinesische Unternehmen das Geschäft scheinbar unter sich aus. Doch beim nächsten großen IT-Thema KI will Europa ganz vorne mitspielen. Der Umgang mit den Leitplanken des Weißbuchs wird also über die Stellung unserer Wirtschaft im globalen Wettbewerb mit entscheiden.

Neben ethischen Aspekten sind dabei wirtschaftliche und gesellschaftliche Interessen und Perspektiven ausreichend einzubeziehen, damit Europa in KI-Forschung und -Einsatz nicht doch noch den Anschluss verliert. Dafür plädiert auch Thomas Bönig, IT-Referent und CDO der Landeshauptstadt München:

Die Gestaltung der Rahmenbedingungen muss darauf abzielen, dass Deutschland und Europa im Bereich der KI eine führende Rolle einnehmen. Andernfalls ist mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen und andere Länder setzen die zukünftigen Standards.

Insgesamt sieht sich Europa aber gut aufgestellt, um im globalen Wettbewerb mit KI zu bestehen. In den Dokumenten der EU-Kommission zeigt sich diese Zuversicht an Stellen wie dieser:

Europa verfügt über die Voraussetzungen zum Ausschöpfen des KI-Potenzials, und zwar nicht nur als Nutzer, sondern auch als Urheber und Hersteller dieser Technologie … Europa ist Spitzenreiter beim Einsatz von KI in der verarbeitenden Industrie.

Im Spannungsfeld von Ethik und Erfolg

Ähnlich selbstbewusste Äußerungen hört man häufig auch von Wirtschaftsvertretern. Jedoch wird der Umgang der EU-Kommission mit Werten und Datenschutz allgemein und speziell bei sogenannten Hochrisiko-Anwendungen durchaus kontrovers diskutiert.

Denn in anderen Regionen der Welt ist die Praxis verbreitet, Werte und Rechte ad acta zu legen, wenn sie die datenbasierten Geschäftsmodelle stören. Hier sei auf den Umgang mit personenbezogenen Daten verwiesen, der immer wieder zu Skandalen führt. Die EU-Kommission lehnt das ab, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mehrfach betonte:

Ich will, dass das digitale Europa das Beste widerspiegelt, das Europa zu bieten hat – Offenheit, Fairness, Vielfalt, Demokratie und Vertrauen.

Die EU-Kommission bekennt sich also auch beim Thema Künstliche Intelligenz zum Schutz der Rechte des Individuums. Das heißt für die Nutzung von KI: Personenbezogene Daten und Privatsphäre sollen grundsätzlich geschützt bleiben. Weitergehende Regelungen sollen umso strenger ausfallen, je höher die Risiken der KI für die Menschen werden.

Als Hochrisiko bezeichnet die EU-Kommission in diesem Zusammenhang konkret die Anwendung von KI bei Personalrekrutierung, Medizin, Polizei und Justiz. Also Fälle, in denen Verlust der Privatsphäre, Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, Verletzung der Menschenwürde oder Diskriminierung drohen. Hier sollen die KI-Systeme transparent und rückverfolgbar sein. Die Aufsicht durch den Menschen müsse gewährleistet sein. Auch verweist die EU-Kommission in diesem Zusammenhang auf die hoch umstrittene massenweise Gesichtserkennung mit Hilfe von KI.

Durch Vertrauen Skepsis gegenüber KI abbauen

Mit ihrer Betonung von ethischer Haltung, Werten und Datenschutz will die EU-Kommission eines der wichtigsten Hemmnisse für den Erfolg von KI aus dem Weg räumen: die Skepsis vieler Menschen. Europa soll für eine “vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz“ eintreten.

Um das notwendige Vertrauen aufzubauen, will die EU-Kommission die Diskussion auf vielen Ebenen weiterführen:

  • Das Weißbuch zur Künstlichen Intelligenz steht noch bis zum 19. Mai 2020 zur öffentlichen Konsultation. Zugleich bittet die EU-Kommission um Stellungnahmen zu ihrer Datenstrategie, die parallel zum Weißbuch KI erschienen ist.
  • Noch bis zum 2. Mai 2020 lädt der vierte „EU Datathons“ datenbegeisterte Menschen dazu ein, auf Basis der offenen Datensätze der EU neue, innovative Anwendungen zu entwickeln.
  • Die EU-Kommission leitet zudem eine breit angelegte Debatte darüber ein, welche Umstände in Zukunft möglicherweise Ausnahmen für breit angelegte Gesichtserkennung rechtfertigen könnten.

Wir alle sind also aufgerufen, uns in die Diskussion einzubringen.

1 Kommentar


  1. Um die Grundlagen von Künstlicher Intelligenz besser zu verstehen, bietet das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie kostenlose Online Kurse unter https://www.elementsofai.de/. Ein tolles Möglichkeit um herauszufinden, was KI tatsächlich ist, welche Probleme und Anwendungsbereiche es gibt und wie sich KI zukünftig entwickeln wird.

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Elisabeth Wagner -
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