Souveränität, Nachhaltigkeit, Gleichstellung, Inklusion sowie Diskriminierungs- und Barrierefreiheit sind für die Stadt München wichtige strategische Prinzipien der Digitalisierung. Um die Inhalte und Herausforderungen dahinter genauer zu beleuchten, haben wir uns mit Fachkundigen aus Wissenschaft und Praxis über die Bedeutung der einzelnen Prinzipien im Rahmen der digitalen Transformation ausgetauscht. Die wichtigsten Aspekte im Überblick:
Erst kürzlich wurde vom München Stadtrat die Weiterentwicklung der strategischen Prinzipien der Digitalisierung beschlossen. Auch haben wir uns hier auf dem Digitalisierungsportal Münchens mit der Frage auseinandergesetzt, wie die Umsetzung erfolgt.
Am bundesweiten Digitaltag vom 16. bis 19. Juni 2021 bot die Stadt München nun ein Forum, um sich zur Bedeutung, Tragweite und Umsetzung der Prinzipien im Rahmen der digitalen Transformation auszutauschen.
Digitale Abhängigkeit als Kriterium für Entscheidungen
Die digitale Souveränität einer Organisation ist bedroht, wenn Abhängigkeiten deren Entscheidungsfreiheit einschränken und auf den ersten Blick nur schwer zu beseitigen sind. Dies kann passieren, wenn beispielsweise in einer Kommunalverwaltung bestimmte Hard- und Softwarelösungen genutzt werden, für die es wenige oder keine alternativen Produkte zur Auswahl gibt. Oder aber Dritte haben potenziell Zugriff auf Cloud-Lösungen und die dort gespeicherten Daten. Basanta Thapa vom Fraunhofer Kompetenzzentrum Öffentliche IT sprach beim Digitaltag über die verschiedenen technischen und nicht-technischen Risiken in diesem Zusammenhang.
Dabei stellte er unter anderem heraus, dass Organisationen vor einer IT-Entscheidung die daraus resultierenden Abhängigkeiten bewerten sollten. Um ihre digitale Souveränität zu wahren, bedarf es eines Bewusstsein darüber, welcher Aufwand für die Wahrung der eigenen Autonomie im jeweiligen Fall gerechtfertigt und welche Lösung dann die bessere ist. Es kann zudem sinnvoll sein, gemeinsam mit anderen Kommunen an offenen Lösungen zu arbeiten, um etwa in sensiblen Anwendungsbereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht von marktbeherrschenden Produkten abhängig zu werden.
Nachhaltigkeit in der Digitalisierung
Auf den ersten Blick steht die Digitalisierung im Widerspruch zum globalen Trend der Nachhaltigkeit. Denn die Nutzung digitaler Lösungen ist mit dem Verbrauch von Ressourcen für Server und Endgeräte sowie deren Energiebedarf verbunden. Diese Wechselwirkungen werden daher in der letzten Zeit immer häufiger diskutiert. Im Fokus stehen dabei zwei Fragestellungen: Wie kann die Digitalisierung zu mehr Nachhaltigkeit beitragen? Und wie kann Digitalisierung nachhaltig gestaltet werden?
Silke Niehoff vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam skizzierte in ihrem Beitrag zunächst den breiten Wirkungsbereich des Begriffs Nachhaltigkeit. Die von den Vereinigten Nationen formulierten Nachhaltigkeitsziele umfassen sowohl soziale, wirtschaftliche als auch ökologische Aspekte. Nur wenn es gelingt, die digitalen Umbrüche in all diesen Dimensionen zu gestalten, könne eine nachhaltige Transformation gelingen. Friederike Rohde vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin ergänzte die engen Verflechtungen von technischen Entwicklungen und sozialen Veränderungsprozessen. Die Entstehung, Nutzung und Verbreitung von digitalen Technologien verändere unser gesellschaftliches Zusammenleben, unsere Wertvorstellungen und unsere Kultur.
Für und mit der Stadtgesellschaft
Für die Gesellschaft und damit auch die Stadtgesellschaft in München sei es wichtig, sich auf Zielbilder für ein gutes, nachhaltiges Leben zu verständigen und dabei auch die Rolle der Digitalisierung zu definieren, betonte Dirk Meyer vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Nur so können die Vorteile der Digitalisierung zum Wohle der Menschen genutzt und ungewollte Nebeneffekte vermieden werden. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist dafür die Partizipation.
Die Stadt München hat dies früh erkannt und bindet die Stadtgesellschaft im Rahmen der „Perspektive München“ intensiv ein. Mit der Einführung von Consul wird in München nun auch eine digitale Plattform für die partizipative Entwicklung von Strategien und Maßnahmen aufgebaut. Außerdem laden wir regelmäßig zu verschiedenen Veranstaltungen rund um die Digitalisierung ein.
Digitale Angebote barrierefrei gestalten
Jeder Mensch hat ein Recht auf digitale Teilhabe. Daher ist es unsere Aufgabe, diese Möglichkeiten aktiv zu gestalten und Barrieren für Personen mit Einschränkungen abzubauen. Einschränkungen bedeuten in diesem Zusammenhang nicht immer eine dauerhafte Behinderung. Susanne Baumer (Twitter: @susannebaumer) von der Pfennigparade machte in ihrem Vortrag deutlich, dass alle Nutzenden in bestimmten Situationen von digitaler Barrierefreiheit profitieren. Beispielsweise bei situationsbedingten Einschränkungen wie lautem Straßenlärm oder starker Sonneneinstrahlung.
Für eine barrierefreie Nutzbarkeit digitaler Inhalte ist es daher wichtig, dass sie auch dann gut zu erfassen sind, wenn Sehen oder Hören nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Dafür sind die Inhalte für Hilfsmittel wie Vorlesesysteme aufzubereiten und alternative Möglichkeiten zur Bedienung von Schaltflächen etwa mit der Tastatur zu unterstützen. Die Stadt München erarbeitet gemeinsam mit der Pfennigparade Checklisten und Leitfäden für die barrierefreie Gestaltung von digitalen Inhalten. Unser Kollege Patrick Winkler von der Stadt München gab in seinem Beitrag einen Einblick in die Maßnahmen, die bereits heute umgesetzt und auch für die Zukunft geplant sind. Tipps zu Digitalen Barrierefreiheit erhalten Sie demnächst hier im Blog in einem Gastbeitrag der Pfennigparade.
Frauen in der IT – Gleichstellung
Gleichstellung ist für die Stadt München ein wichtiges Thema, das alle Bereiche und daher auch die IT betrifft. Nicht zuletzt fand vor kurzem auch ein Stadtratshearing zum Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Digitalisierungsstrategie statt. Was viele nicht wissen: Die Softwareentwicklung war bis in die 1980er ein Frauen-Beruf. Heute locken IT-bezogene Berufe vorwiegend Männer an.
Verschiedenen Kolleginnen und Kollegen diskutierten auf dem Digitaltag zum Thema “Frauen in der IT” und sprachen über ihre Situation bei der Stadt München. Um die Geschlechtergleichstellung zu fördern, bietet die Verwaltung ihren Beschäftigten beispielsweise die Möglichkeit flexibler Teilzeitmodelle. Aber auch die Bewusstseinsbildung oder Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung zählen zu den Aktivitäten der Landeshauptstadt. Als zusätzliche Maßnahmen können sich die Diskutierenden beispielsweise spezifische Mentoring-Programme oder die noch konsequentere persönliche Entwicklungs- und Karriereplanung von Frauen vorstellen. Dazu wäre auch ein Netzwerk hilfreich.
In der Diskussion auf dem Digitaltag waren sich alle einig: Frauen als Gestalterinnen von IT und Digitalisierung sind wichtig, um ihren Blickwinkel, ihre Kompetenz und ihre Anforderungen in die Entwicklung von Prozessen und Lösungen einzubringen.
Digitalisierung – viele meinen das sei „ganz normal“. Einige sind tagtäglich voll digital unterwegs und das Handy ist quasi die Fernsteuerung des modernen Lebens.
Aber auch 40-jährige, 30-jährige und Jüngere merken manchmal, dass sie an Grenzen stoßen. Warum funktioniert etwas nicht wie erwartet oder wie nutzt man eigentlich die digitale Ausweisfunktion des Personalausweises im Scheckkartenformat? Auch Profis „verlieren“ ein Vermögen, weil ihre Bitcoins verschwunden sind, Viren vernichten unsere Digitalfotos, Trojaner erpressen uns und wer hat sich nicht schon über E-Mails geärgert, die mit automatisch eingefügten Fehlern versehentlich abgeschickt wurden, bevor man sie nochmal durchgelesen hat.
Die digitale Transformation nimmt nicht alle Menschen in jeder Situation mit und das erzeugt Stress. Wie sehr mag der Kontrollverlust erst Stress erzeugen, wenn man nicht in einer Mediengesellschaft aufgewachsen ist, sondern mit 60 sein erstes Handy bekommen hat und plötzlich nur noch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann, wenn man ein Ticket digital bucht, den QR-Code im digitalen Wallet abspeichern und sich mit Apps ausweisen kann.
Die „Münchner Prinzipien“ der Digitalisierung sind wohl der wichtigste Teil der Digitalstrategie um am Ende nicht eine Kastengesellschaft zu schaffen, in der es verschiedene Gruppen von unterschiedlich „Erleuchteten“ gibt. Auch wer heute voll dabei ist – manchen dämmert es schon, dass auch sie irgendwann zur Gruppe derjenigen gehören könnten, die durch noch „Fittere“ an den Rand gedrängt werden. Aktiv daran arbeiten, dass die Digitalisierung keine Zombies am Wegesrand hinterläßt, ist wohl ein gewichtiger Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung, wenn wir die Digitalisierung vorantreiben!