Nachhaltigkeit und Digitalisierung – passt das zusammen?

5. März 2021
Ein Beitrag von Daniela Wohlschlager
Bei der Diskussion um mehr Nachhaltigkeit steht die Digitalisierung oft hinten an. Dabei erfordern jede Suchanfrage, jeder Stream und unsere Videokonferenzen im Homeoffice Strom und hinterlassen einen CO2-Fußabdruck. Anlässlich des internationalen Energiespar-Tags am 5. März haben wir Daniela Wohlschlager, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. (FfE), gebeten, das Thema im Gastbeitrag zu beleuchten.

Der ökologische Fußabdruck der Digitalisierung

Unsere Gesellschaft wird – nicht zuletzt durch die weltweite COVID-19-Pandemie – mehr und mehr digital. Die digitale Transformation betrifft alle Branchen und Lebensbereiche: Navigation, Konsum, Homeoffice, Freizeit und Kommunikation bis hin zur zunehmend automatisierten Steuerung von industriellen Prozessen unter dem Stichwort Internet of Things.

Ein derartig tiefgreifender Wandel verändert nicht nur unser Konsumverhalten, sondern führt in erster Linie auch zu einem erhöhten Ressourcenverbrauch für die Herstellung, Nutzung und Entsorgung digitaler Geräte und Infrastrukturen wie Laptops, Smartphones, Server oder auch Glasfaserkabel. Im weltweiten Vergleich verursachte der Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie somit im Jahr 2017 mit circa 1,4 Prozent ähnlich viele CO2‑Emissionen wie der internationale Flugverkehr, Tendenz steigend.

Nachhaltigkeit als zweiter globaler Trend

Durch die Verbesserung der Rechenkapazitäten, die Effizienzsteigerung von Speichertechnologien und einem zunehmend emissionsarmen Strommix durch erneuerbare Energien, besteht die Möglichkeit bis zu 80 Prozent davon zu verringern. Die größten direkten Einsparungseffekte sind dabei durch die Effizienzsteigerungen von Rechenzentren zu erwarten. Zugleich kann die Digitalisierung Teil der Transformation sein, die es zur Erreichung der globalen Klimaziele braucht. Aktuell werden hier vor allem weniger Flug- und Dienstreisen diskutiert.

Aber welchen Beitrag liefert die Digitalisierung tatsächlich für eine nachhaltige Gesellschaft? Daniela Wohlschlager hat dazu einen Impuls auf unseren internen Learn@Lunch – Seminaren gehalten, mit denen wir den Beschäftigten der Stadtverwaltung München digitale Themen näher bringen. Im Gastbeitrag vergleicht sie nun die Nachhaltigkeit digitaler Technologien mit analogen Alternativen.

Umwelteffekte durch Digitalisierung im direkten Vergleich

Die Umweltauswirkungen digitaler Prozesse sind im Vergleich zu physischen Emittenten, wie zum Beispiel Verbrennungsmotoren oder Flugzeugen, in der öffentlichen Debatte oft weniger präsent. Als ein allgegenwärtiges Beispiel wird die zunehmende Nutzung von digitalen Meetings im Vergleich zu physischen Treffen betrachtet. Dabei kann nicht nur Zeit durch die fehlende An- und Abreise eingespart werden, auch die CO2-Bilanz fällt bei einer virtuellen Teilnahme entsprechend geringer aus, als die durch das jeweilige Transportmittel entstehenden Emissionen. Die folgende Abbildung zeigt am Beispiel einer Strecke von München nach Hamburg, welche CO2-Emissionen verschiedene Transportmittel im Vergleich zu einer virtuellen Konferenz verursachen.
Grafik zum CO2-Fußabdruck von physischen und digitalen Meetings
Vergleich des CO2-Fußabdruckes einer Webkonferenz gegenüber einem physischen Meeting mit verschiedenen Transportmitteln, Quelle: FfE

Nachhaltigkeit bedeutet, den gesamten Lebenszyklus zu betrachten

Bei einer vollständigen Bewertung der Umweltwirkungen sind aber auch immer alle Phasen des Lebenszyklus eines Produkts oder Services einzubeziehen. Eine sogenannte Lebenszyklusanalyse beinhaltet sowohl den Rohstoffabbau, die Herstellung, den Betrieb sowie die Verwertung nach Ende der Lebensdauer.

In seinem Buch “Smarte grüne Welt” veranschaulicht Steffen Lange eine solche Analyse am Beispiel der Nutzung eines E-Readers im Vergleich zum Konsum von herkömmlichen Büchern. Die Ergebnisse zeigen, dass die Umweltwirkungen des digitalen Endgeräts mit 30 bis 60 gedruckten Büchern gleichzusetzen sind. Demnach lohnt sich ein E-Reader aus ökologischer Perspektive erst, wenn damit eine entsprechend hohe Anzahl an Büchern gelesen wird, bevor das Gerät ausgetauscht wird oder werden muss.

Darstellung zum Ressourcenverbrauch eines E-Readers
Digitalisierung als Ressourcenwende am Beispiel des E-Readers, Quelle: FfE nach Steffen Lange

Rebound-Effekte vermeiden!

Insbesondere mit technischen Innovationen können auch negative ökologische Auswirkungen, sogenannte Rebound-Effekte, einhergehen. Hier werden erwartete positive Effekte durch die Anschaffung und Nutzung von neuen Technologien kompensiert oder führen gar zu einer Erhöhung des Ressourcen- oder Energieverbrauchs.

Beispielsweise kaufen wir uns effizientere Geräten, um Energie einzusparen. Diese Anschaffung verbraucht aber sogar mehr Energie – zumal das alte Gerät oft noch funktioniert. Oder wir kaufen uns zusätzliche Geräte und nutzen sie stärker. Auch das übertrifft den eigentlichen Einspareffekt oft. Neben solchen unmittelbaren direkten Effekten können auch indirekte Effekte zu insgesamt höheren Umweltwirkungen führen. Zum Beispiel, wenn die jährlich eingesparten Stromkosten in eine Flugreise für einen Kurzurlaub investiert werden.

Dennoch: Alles in allem hat die Digitalisierung großes Potenzial, einen positiven Beitrag für mehr Nachhaltigkeit zu leisten. Wie so oft kommt es jedoch auf die richtige Gestaltung und unsere Verhaltensweise an, um langfristig etwas zu ändern.

Über die Autorin

Daniela Wohlschlager ist seit 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. (FfE). Im Rahmen ihrer Tätigkeit im Projekt „C/sells“ beschäftigt sie sich mit den Umweltwirkungen von Digitalisierungsmaßnahmen im Energiesystem. Zu den Schwerpunkten ihrer Forschung zählen innovative Lösungskonzepte zur Koordination des dezentralen Energiesystems, mit der sie sich auch in ihrem wissenschaftlichen Beitrag „Ökologische Bewertung digitaler Energieinfrastruktur“ befasst hat. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit der Entwicklung neuer Konzepte zur Bürgerbeteiligung und gesteigerter Akzeptanz im Zusammenhang mit der Transformation des Energiesystems, wie in der Beitragsreihe „Partizipation im (digitalen) Energiesystem“ nachzulesen.

 

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Hinweis: Gastbeiträge sind persönliche Inhalte der Autor*innen und geben nicht die Ansicht der Landeshauptstadt München wieder.