IT-Unterstützung für die städtische Schuldner­beratung

2. August 2021
Ein Beitrag von Barbara Bänsch

Die Erfahrung von Überschuldung ist für die Betroffenen meist dramatisch. Unterstützung finden sie bei der städtischen Schuldner­beratung im Sozialreferat. Diese berät nicht nur, sondern hilft ganz konkret bei Bestandsaufnahme, Aufstellung eines Haushaltsplans, Suche nach einer individuellen Lösung und deren Umsetzung. Zahlen, Daten und Termine spielen in diesen Prozessen eine große Rolle. Seit Mai 2021 unterstützt ein neues IT-Fachverfahren das Team. Ein Einblick:

Die Arbeit der Schuldner­beratung am Beispiel

​Das Team der Münchner Schuldner- und Insolvenzberatung – mit einer Kapazität von insgesamt rund 14 Vollzeitstellen – begleitete im Jahr 2020 rund 1.700 Menschen. Neben den Fachleuten für juristische und finanzielle Aspekte arbeiten dort oft sozialpädagogisch ausgebildete Beraterinnen und Berater, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. Dabei kommen auf eine Person schnell 60 bis 80 Fälle parallel. Die Situationen, mit dem die städtische Schuldner­beratung konfrontiert wird, sind meist hoch komplex. Ein Beispiel:

Als Frau B. zum Erstgespräch in die Schuldner­beratung kam, waren ihr Scham und Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Ihre Situation: Seit sie und ihr Mann sich getrennt hatten, sorgte sie allein für die drei gemeinsamen Kinder. Ihr Einkommen als Innenarchitektin in Teilzeit reichte gerade für die Miete. Unterhalt kam nur sporadisch. Aufgewachsen in einem anderen Land, war ihr nie in den Sinn gekommen, Sozialleistungen zu beantragen. Zugespitzt hatte sich die Lage, als das Finanzamt plötzlich ihr Konto eingefroren hatte. Erst nach einiger Recherche erfuhren wir den Grund: Sie nutzte ein früheres eheliches Gemeinschaftskonto und gegen den gutverdienenden Ex-Mann wurde wegen Steuerhinterziehung ermittelt.

Im Zuge der Schuldner­beratung ließen glücklicherweise fast alle Gläubiger, auch der Vermieter, mit sich reden. Doch der Schlüssel zur Stabilisierung der Situation von Frau B. war der Gang zur städtischen Beistandschaft, um regelmäßig Kindesunterhalt vom Ex-Mann zu erhalten. Frau B. zu diesem Schritt zu überzeugen, war ein hartes Stück Arbeit. Für ihre Kinder hat sie es letztlich getan. Heute ist Frau B. schuldenfrei und lebt mit ihrem zweiten Mann und den Kindern in München.

IT-Verfahren für die Schuldner­beratung gesucht!

Wie in diesem Beispiel werden neben finanziellen und juristischen Aspekten also auch familiäre und persönliche Aspekte in die Schuldner­beratung einbezogen. Die Begleitung ist herausfordernd und verantwortungsvoll. Die Komplexität der wirtschaftlichen Lage verschuldeter Menschen wächst und damit auch die Menge der Informationen. Daten der Schuldner, Gläubiger, Insolvenzverwalter, Gerichte und weiterer Quellen müssen verlässlich verwaltet werden. Ohne IT-Verfahren geht da nicht viel.

Das vorhandene Verfahren drohte gerade aufgrund der wachsenden Datenmengen an seine Grenzen zu kommen. Auch war es nicht zukunftsfähig. Der Gedanke, Zeit, Kraft und Kapazität in ein neues IT-gestütztes Fachverfahren zu stecken, weckte dennoch durchaus auf Vorbehalte – gerade in Zeiten von Corona. Doch Stillstand war letztlich keine Option.

Doch das Vergabeverfahren konnte mithilfe von Videokonferenzen sogar schneller durchgeführt werden als offline. Den Zuschlag erhielt die Software CAWIN, deren Funktionalität weitgehend den fachlichen Anforderungen entsprach, sodass nur wenig Anpassungen notwendig waren. Die Daten des Altsystems konnten in großen Teilen automatisiert in das neue Fachverfahren übernommen werden. Dem Fachbereich blieb dadurch viel zusätzliche Arbeit und ein vorübergehender Parallelbetrieb von alter und neuer Lösung erspart.

Wie die IT die Schuldner­beratung unterstützt

Auch wenn derzeit noch einige Kapazitäten in die Einarbeitung gehen: Das neue Fachverfahren hilft, die große Informationsmenge zu verarbeiten. So bietet sie eine gute Informationsbasis für die Lösungs­entwicklung im Zuge der Schuldnerberatung:

  • Das System erzeugt eine gute Übersicht, über Vermögen, regelmäßige Einnahmen und Ausgaben. Dabei ist erkennbar, was pfändbar ist.
  • Man kann verschiedene Szenarien der Schuldentilgung simulieren.
  • Der Gläubigerseite kann man den Nutzen einer außergerichtlichen Einigung gut darstellen.

In der internen Organisation der Schuldner­beratung sind vor allem der schnelle Überblick und Automatismen wertvoll:

  • Bei Anruf hat man den konkreten Fall auf Knopfdruck gut strukturiert vor Augen. Das ist besonders wertvoll bei Vertretungen und Arbeit an der Hotline.
  • Gut gepflegt erinnert das System zuverlässig an Termine und Fristen.
  • Serienbriefe, beispielsweise an die Gläubigerseite, lassen sich elektronisch verwalten.
  • Nicht zuletzt prüft das IT-Fachverfahren bei der verpflichtenden Übermittlung von Daten an das Statistische Bundesamt auf Vollständigkeit und übermittelt auf Knopfdruck.

Die vorgesehene Einführung der E-Akte und die Anbindung an die Infrastruktur des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungs­postfachs werden die Digitalisierung abrunden. Doch schon heute ist die der Schuldner- und Insolvenzberatung gut für die Zukunft gewappnet – auch dank digitaler Unterstützung.

Dank der IT-Systeme kann sich das Team in der täglichen Arbeit auf das Wesentliche konzentrieren: Die persönliche Beratung der Münchnerinnen und Münchner, die in Not geraten sind. So muss es auch sein: Digitalisierung nicht zum Selbstzweck, sondern für und mit den Menschen. Ein Beitrag unserer Serie #ITforMUC.

Weitere Informationen erhalten Sie auf den Webseiten der Schuldner- und Insolvenzberatung München.

Kommentare (2)


  1. Ein Bekannter von mir braucht Hilfe bei einem Insolvenzverfahren. Gut zu wissen, dass in der internen Organisation der Schuldner­beratung vor allem der schnelle Überblick und Automatismen wertvoll sind. Allerdings wird ihm das von der Schuldnerberatung mit IT Unterstützung sicherlich noch gesagt. [Link entfernt]

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  2. Gratulation für die Mehrwert für Beratungssuchenden und BeraterInnen. Ich wünsche mir für viele andere Bereiche der Verwaltung einen couragierteren Schritt in Richtung Digitalisierung und Bürgerfreundlichkeit.

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