Was wird aus dem Linux Know-How Münchens?

14. Oktober 2019
Ein Beitrag von Thomas Bönig
Auf Basis eines externen IT-Gutachtens wurde empfohlen, die Bürokommunikation der Landeshauptstadt wieder von LibreOffice auf Microsoft Office umzustellen. Der Stadtrat beauftragte das IT-Referat, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Denn der Linux-Weg war zunehmend als ein riskanter und kostenintensiver Alleingang gesehen worden. Was geschieht nun aber mit dem Linux Know-How der Stadt?

Linux in München: Eine Ära geht zu Ende, eine neue kommt

Anders, als zu Beginn erwartet, war München mit seinem Umstieg auf Linux am Ende eine Ausnahme geblieben. Die Partner der ersten Tage hatten sich abgewandt und es gab keine Anzeichen, dass andere Institutionen dem Münchner Weg folgen wollten. So mehrten sich mit der Zeit gewichtige Argumente für eine Abkehr vom bisher eingeschlagenen Weg. München wäre trotz aller wohlwollenden Bekundungen weiterhin alleine dagestanden.

Zudem mussten bereits für circa ein Drittel der Arbeitsplätze der Stadt ein Windows Client zur Verfügung gestellt werden. Denn ohne hätten die erforderlichen Fachverfahren nicht funktioniert. Auch für die Zusammenarbeit mit externen Partnerinnen und Partner wurde oft Windows genutzt. So entstand zwangsläufig eine Windows-Parallelwelt.

An den Arbeitsplätzen mit LibreOffice entwickelte sich ein deutlicher und zunehmender Rückstand zu moderner, die Zusammenarbeit fördernder Bürosoftware. Die Investitionen, die München in LibreOffice hätte aufbringen müssen, um annähernd gleichartige Arbeitsverhältnisse zu schaffen, wären enorm gewesen und für die Stadt nicht tragbar.

Letztlich verstärkte die aktuelle Herausforderung der Digitalisierung den Änderungsdruck: München soll und will mit weltweiten Entwicklungen mithalten und in der kommunalen Digitalisierung eine führende Rolle einnehmen. Das ist kaum machbar ohne eine modernen IT-Landschaft mit marktüblichen Standardprodukten.

Open Source für die Stadtverwaltung weiterhin gefragt

Die Entscheidung für Microsoft bewegte viele Menschen. Auch viele Kolleginnen und Kollegen, die den Weg ohne den dominanten Marktführer mit Sympathie verfolgt hatten.

Eine grundsätzliche oder generelle Abkehr von Linux und anderen Open-Source-Produkten ist mit der Entscheidung aber keineswegs verbunden. Der Weg zurück betrifft nur das Betriebssystem Windows 10 und den Einsatz von Microsoft Office. Viele Server laufen wie bisher unter dem Betriebssystem Linux. Es werden auch weiterhin Open Source Produkte eingesetzt oder neue eingeführt wie beispielsweise Camunda als Workflow-Plattform.

Für WollMux und Libre Office heißt es: “Open”

In der Landeshauptstadt spricht man beim Betriebssystem in diesem Zusammenhang auch von „LiMux“. Denn die Software wurde an die speziellen Anforderungen der Münchner Verwaltung angepasst. Hier ist ein umfangreiches Wissen aufgebaut worden, von dem möglicherweise andere profitieren können. Die Frage, gestellt in einer Stadtratsanfrage der Linken, ist daher berechtigt: Wird München das Linux Know-How an die Open Source Community weitergeben?

Das gesamte System einfach frei zur Verfügung stellen, geht schon aus Lizenzgründen nicht und wäre vermutlich auch nicht sinnvoll:

Der sogenannte Basisclient enthält auch kostenpflichtige Komponenten, etwa den Virenscanner. Zudem würden nicht alle Programme und Skripte außerhalb der spezifischen Infrastruktur der Landeshauptstadt laufen.

​Möglich ist hingegen die Freigabe einzelner Komponenten. Bereits geschehen ist das etwa mit “WollMux”, dem intern programmierten System für die Verwaltung von Vorlagen und Formularen. Dieses kann auf http://wollmux.org/ heruntergeladen werden.

In den vergangenen Jahren hat die städtische IT außerdem immer wieder Open-Source-Anwendungen wie LibreOffice weiterentwickelt. Die Open Source Community hat diese Änderungen dann in Reviews unter die Lupe genommen. Angenommene Neuerungen sind in die jeweiligen Software-Releases eingegangen.

Freigabe von weiterem Linux Know-How vorgesehen

Die Freigabe weiterer Komponenten ist jedoch geplant. Ein Workshop zur Prüfung, was dafür geeignet ist, soll noch im Oktober stattfinden. Relevante Kriterien sind unter anderem:

  • Hat die Stadt die vollständigen Rechte an der Software?
  • Werden die Komponenten noch einige Zeit von der städtischen IT gepflegt?
  • Ist der Freigabe-Aufwand vertretbar?
Das grundlegende Interesse am Thema Open Source und entsprechendem Wissenstransfer bleibt unabhängig vom Linux-Ausstieg langfristig hoch:

In unterschiedlichen E-Government-Themen sind diverse Open-Source-Lösungen als Basiskomponenten im Einsatz. Das Angebot an offenen Daten im Bereich Open Government wird ebenfalls laufend ausgebaut und es gibt weiterhin viel Erfahrungsaustausch in konkreten Projekten und Veranstaltungen.

Die ausführliche Antwort auf die Stadtratsanfrage zur Weitergabe des Linux Know-how gibt es hier.

Kommentare (3)


  1. Man kann viel diskutieren über Standards in der IT (Microsoft ist kein Standard!) und Veränderung bedeutet immer Aufwand (siehe Energiewende), aber wenn die Politik (Bund oder Land egal) gar nicht weg von Microsoft wollen (siehe Microsoft-Bundescloud aktuell), wird jede Meldung/Aussage dazu (siehe Zitat oben “In unterschiedlichen E-Government-Themen sind diverse Open-Source-Lösungen als Basiskomponenten im Einsatz…”) zu einem Feigenblatt. Ich verfolge diese Diskussion seit mehr als 20 Jahren. Erst wurden Open-Source-Befürworter ausgelacht durch die Politik, heute verbreitet sie mit ihrem Handeln: “Es gibt keine Alternative zu Microsoft!”.
    GAIA-X oder der Dataport Open-Source-Arbeitsplatz Phoenix werden vermutlich genauso scheitern wie die D-Mail, wenn die Politik in Deutschland Geld in Open-Source-Projekte steckt und dann immer wieder bei Microsoft kauft. Die Politik sollte vorangehen und in die GAIA-X-Cloud migrieren (Bundesbahn, Bundes-Verwaltung, …) mit Open-Source und ohne Microsoft, dann wäre das ein Bekenntnis zu Open-Source. Alles andere sind “Feigenblätter”!
    “Es gibt nichts Gutes außer man tut es” (Erich Kästner)

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  2. Ich finde die Entscheidung richtig und nachvollziehbar. Betriebssystem und Office sind Commodity und keine Produkte, die einen strategischen Vorteil für eine Organisation generieren. Hier gilt es, auf Standard zu setzen und die Kosten niedrig zu halten. Die eigentlichen Mehrwerte entstehen aus meiner Sicht durch digitale Prozesse und intelligente Lösungen in den Verwaltungsabläufen. Hier ist noch einiges im Argen. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich eine Investition in Open Source eher im Bereich der Fach- und Prozessebene lohnt. DMS, Fachverfahren, Workflow-Engine, Portalserver, CMS; hier wären mehr Open Source Lösungen wünschenswert und würden sicher eine neue Qualität in Investitionssicherheit und Nachnutzbarkeit ergeben.

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  3. Es wäre ja zu schön gewesen, wenn sich die Politik mal aus der Umklammerung der großen Firmen und Lobbyisten gelöst hätte. Aber es ist natürlich auch verständlich, wenn ausgerechnet in München die Microsoft-Zentrale gebaut wird …. ja, ja, die vielen Arbeitsplätze…
    Leider ist es in der Tat so, dass in Deutschland viele Behörden nach einem Linux-Umstieg wieder zurückrudern (mal unabhängig von den vorgebrachten Gründen dafür), keinesfalls ist es aber so, dass München alleine dasteht: https://de.wikipedia.org/wiki/Open-Source-Software_in_öffentlichen_Einrichtungen.
    Und LibreOffice als rückständig und nicht modern zu bezeichnen, halte ich für Unwissenheit. Die Frage der Inkompatibilität zu Microsoft-Produkten liegt ja fast ausschließlich an letzteren und nicht an LibreOffice. Und wem würde man es denn eher zutrauen, einen “Quasi-Standard” zu etablieren, wenn nicht einer Landeshauptstadt – auch wenn dieser halt nicht von Microsoft kommt.
    Es gibt genügend Kenner auf diesem Gebiet, die sagen, dass es sicher nicht ein Problem der Open Source Software an sich war, sondern ein organisatorisches. (z.B. Und wenn man sich allein mal die dauernden Probleme z.B. bei den halbjährlichen Windows 10-Updates anschaut, darf bezweifelt werden, dass unter Windows keine Probleme geben wird.
    Der Vorteil an Open Source ist, dass man die Probleme, die unweigerlich immer auftreten, selber lösen kann anstatt auf die Gnade einer Software-Firma angewiesen zu sein.
    In diesem Zusammenhang sei auch auf das Bereitstellen von Sicherheitspatches hingewiesen, ich glaube mehr muss zu diesem Thema nicht gesagt werden. Abgesehen von unserem Geld, das da verschleudert wird (o.k., die Arbeitsplätze bei Microsoft…) sind es auch unsere Daten die gefährdet sind.
    Schade, dass man sich die Möglichkeit, *Freiheit* zu erlangen, wieder vom Brot nehmen lässt – langfristig hätten alle (außer vielleicht die eine oder andere (ausländische) Firma) davon profitiert.

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Co-Autoren­schaft:
Elisabeth Wagner