Von 100 Prozent Büro zu fast 100 Prozent Homeoffice – was sich für mich geändert hat
Zu Beginn der Pandemie und dem Wechsel zum Homeoffice war ich noch duale Studentin. Stickige Unterrichtsräume und volle Besprechungszimmer – für mich der Alltag. Denn die Vorlesungen haben in Präsenz stattgefunden. Die öffentlichen Verkehrsmittel jeden Tag unbeschwert zu nutzen, gehörte zur Routine. Das Thema Homeoffice war nur in Ausnahmefällen möglich – wie zum Beispiel beim Sturmtief Sabine. Ja, auch das war erst 2020!
Im März kam dann plötzlich “die Wende”. Was vorher noch oft zu Kopfschütteln geführt hatte und als nicht umsetzbar deklariert wurde, wurde die neue Regel: Arbeiten und Lernen von Zuhause, Homeoffice und Online-Vorlesungen. Die eigenen vier Wände wurden zum Zielort meines Resturlaubs, meine Alternative zur Bibliothek und letztendlich auch mein neues Büro und Klassenzimmer. Digital, mobil und flexibel Arbeiten – es geht also doch.

Ella Hiesch ist Mitarbeiterin im Team “E- und Open-Government und Smart City” im IT-Referat der Stadt München, Quelle: Privat
Meine Desk-Sharing Erfahrung
Zum ersten Mal ganz offiziell im Homeoffice arbeiten war sehr ungewohnt. Die morgendliche Routine, inklusive des Powerwalks zur nächsten Haltestelle, fällt plötzlich weg und man kann sich gemütlich – ungeschminkt und in bequemem Alltagsoutfit – vor den Laptop setzen. Nicht nur für mich ist dadurch der Start in den Arbeitstag um einiges entspannter geworden. Auch mein Hund Sherlock freut sich über gemütlichere Spaziergänge und den ganzen Tag lang eine gewohnte Umgebung.
Durch die fehlende Anfahrtszeit und das kürzere morgendliche Ritual des “Sich-für-die-Arbeit-fertig-Machens” hatte ich zudem von Anfang an das Gefühl, viel früher wirklich produktiv zu sein und mit meinen Aufgaben zu beginnen. Den größten Unterschied zur Arbeit im Büro sehe ich in diesem Zusammenhang allerdings darin, dass ich nicht wirklich “aus der Arbeit gehe”. Dadurch ist die Trennung zwischen Privatleben und Arbeitszeit wesentlich schwieriger: Gerne schaut man auch noch Abends mal in die Mails oder macht ein Projekt fertig, um das eigene Gewissen zu beruhigen. Mit der Zeit hat es sich aber gut eingespielt und der Laptop wird nach getaner Arbeit geschlossen und in die Ecke gelegt.
Das Homeoffice hat nicht nur mich erwischt. Auch mein Freund ist seit Beginn der Pandemie Zuhause. Da wir beide fast ausschließlich am Rechner sitzen war schnell klar: Ein höhenverstellbarer Schreibtisch und zusätzliche Ausstattung für unser Büro mussten her. So konnte ich jetzt auch gezwungenermaßen erste Erfahrungen mit dem Thema Desk-Sharing machen. An der Tür zum heimischen Büro hängt unser Wochenplan. Abwechselnd darf einer die Vorzüge des Büros und der andere die Annehmlichkeiten des Esstischs genießen. Jeden Abend wird brav der Arbeitsplatz aufgeräumt, um für den nächsten Tag bereitzustehen. Ungewohnt ist es schon, nicht einfach alles für den nächsten Morgen liegenzulassen. Gleichzeitig unterstützt diese Routine dabei, täglich mit der Arbeit abzuschließen. Und wenn es mal gar nicht mehr geht, kann zumindest ich auch noch ins städtische Büro ausweichen.
Zwischenmenschliches geht auch digital
Die Umstellung auf rein digitale Meetings im Team war anfangs etwas holprig: Streaming-Qualität, Tonprobleme, ruckelnde Videos – an allen Ecken und Enden hat es gehakt.
Mittlerweile sind diese Meetings gut in den Alltag integriert und erfüllen ihren Zweck. Für mich persönlich ein Highlight und definitiv empfehlenswert: Während Meetings in Bewegung zu bleiben. Am meisten profitiert wahrscheinlich mein Hund davon. Wenn möglich gehen wir bei Meetings, während derer ich nicht präsentieren oder protokollieren muss, durch den Park. Kopfhörer und Smartphone sei Dank. Aber auch durch die Wohnung schlendern oder einfach mal stehen tut gut und hat zumindest mir in den analogen Meetings gefehlt.

Morgendlicher Spaziergang mit meinem Hund Sherlock während unseres Daily mit den Nachwuchskräften, Quelle: Privat
Keinen beziehungsweise wenig persönlichen Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen zu haben, war ebenfalls zunächst ungewohnt. Gerade die spontanen Treffen am Gang oder der Austausch beim gemeinsamen Mittagessen und Kaffee machen so einen Arbeitsalltag erst richtig sympathisch.
Mit der Zeit hat sich für mich jedoch gezeigt, dass es digital nicht wirklich schlechter oder weniger war als vorher. Mit einigen Kolleginnen und Kollegen ist der Austausch sogar intensiver geworden, weil wir uns jetzt regelmäßig über Messenger-Funktionen schreiben oder einfach mal anrufen. Manchmal läuft ein Telefonat über Stunden hinweg nebenher und man hat das Gefühl mit der anderen Person im Raum zu sitzen.
Bei uns im Team haben wir zusätzlich ein wöchentliches Kaffeetrinken eingeführt und für unsere Praktikantinnen und Praktikanten sogar einen kurzen morgendlichen Austausch. Gerade in der aktuellen Situation stellt die Ausbildung unserer Nachwuchskräfte eine große Herausforderung dar. Gleichzeitig zeigen uns die Umstände, wie viel mit den gegebenen Mitteln möglich ist und wie innovativ man sein kann, wenn man muss.
Yoga – Breaks für den Rücken – #MyDigitalWork – Tipp
Was Zuhause schnell mal hinten über fällt, ist die gelegentliche Pause, in der man sich bewegt. Schnell stellt sich Zuhause ein Arbeitstunnel ein, aus dem man aktiv ausbrechen muss. Für mich habe ich hier verschiedene Lösungen gefunden, die sicherlich auch bei anderen im Homeoffice Anwendung finden können:
- In Bewegung bleiben: Wenn der Hund zum Spazierengehen fehlt, hilft schon eine Runde durch die Wohnung während eines Meetings.
- Soziale Pause: Mit dem Partner oder der Familie in der Küche zum Kaffee treffen. Wenn man alleine wohnt, einfach den digitalen Kaffeetreff mit Kolleginnen und Kollegen vereinbaren.
- Yoga: Ich rolle zwischendrin mal die Matte aus, um den Kopf freizubekommen und meinem Rücken etwas Gutes zu tun. Gerade für Bürojobs gibt es auch eine Menge Stuhl-Yoga-Übungen, die sich für kurze Unterbrechungen im Alltag eignen.
Zurück zu 100 Prozent Büro ist keine Option
Es wird sicherlich noch eine Zeit nach oder eher mit Corona geben, ehe es wieder normal sein wird, mit Kolleginnen und Kollegen im Zimmer zu sitzen und ohne Bedenken U-Bahn zu fahren. Ich hoffe, dass wir bis dahin vor allem zwei Dinge für die Zukunft der Arbeit – auch in der Verwaltung – mitnehmen: “Es geht auch digital” und “Die Mischung macht’s”. Homeoffice und Verwaltung schließen sich nicht aus. Bei Meetings muss ich nicht immer vor Ort sein. Und die Kaffeepause mit dem Team klappt digital auch von der nächsten Parkbank aus.
Lesenswert, lebensnah, wiederverwertbar!