Während der Pandemie und vor politischen Ereignissen, wie der anstehenden Bundestagswahl, kursieren unzählige falsche Informationen in den sozialen Medien. Dabei ist häufig die Rede von „Fake News“. Doch was bedeutet der Begriff eigentlich, wie lässt er sich abgrenzen und was steckt dahinter? Wir geben in diesem Beitrag unserer Serie #ExplainIT Antworten und Tipps für den Umgang mit Fake News.
Die Welt um uns herum verändert sich immer schneller. Der Informationsbedarf der Gesellschaft nimmt zeitgleich zu. Social Media gewinnen dabei immer mehr an Bedeutung und sind inzwischen die meistgenutzte Informationsquelle zur aktuellen Pandemielage.
Mithilfe sozialer Netzwerke haben Menschen die Möglichkeit, sich in Echtzeit ein umfassendes Bild zu machen sowie sich mit anderen zu vernetzen und auszutauschen. Während früher Journalistinnen und Journalisten als sogenannte „Gatekeeper“ zwischen Fakten und der Informationsweitergabe an die Bevölkerung standen, ist diese Rolle in den sozialen Medien an die Nutzerinnen und Nutzer selbst übergegangen. Nur wer prüft hier die Quellen? Das Phänomen der Fake News stellt vor allem in Krisensituationen eine besondere Herausforderung dar.
Was sind Fake News?
Der Begriff Fake News bezeichnete ursprünglich fingierte Informationsangebote und Nachrichtensatire, die das Ziel der Aufklärung und Kritik verfolgten. Hier noch eher positiv, ist die Bezeichnung spätestens seit dem US-Wahlkampf 2017 allerdings negativ belegt. Nicht nur der spätere US-Präsident Donald Trump verwendete den Begriff plötzlich in einem falschen Kontext. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker taten es ihm gleich und betitelten für sie unangenehme Berichterstattung als Fake News. Sie schürten so die Gefahr der Unterdrückung der Pressefreiheit.
Nicht zuletzt aufgrund der missbräuchlichen Verwendung und starken Polarisierung nutzt die Wissenschaft inzwischen andere Begrifflichkeiten für Fake News. Das gemeinnützige Netzwerk CORRECTIV spricht beispielsweise lieber von Misinformationen, wenn es sich um falsche Informationen im Netz handelt, und von Desinformationen, wenn diese auch noch bewusst verbreitet werden, um den Einzelnen und die Öffentlichkeit zu täuschen. Im Kern geht es also bei Fake News um falsche Informationen, die meistens absichtlich platziert und verteilt werden.
Formen und Taktiken von Desinformation
Im Rahmen meiner Masterarbeit zum Thema “Offizielle Infos vs. Fake News?! Umgang deutscher Behörden mit Desinformationen in Social Media am Beispiel der Corona Pandemie” untersuchte ich 2500 deutschsprachige Social Media Postings rund um das Thema Corona auf Fake News. Die empirische Untersuchung zeigt, dass circa 10 Prozent aller relevanten Meldungen Fake, also schlicht falsch, waren.
Das Global Engagement Center bestätigt diese Ergebnisse und berichtet ebenfalls von einer großen Menge an falschen Inhalten. Deren weltweite Forschung ergab, dass allein im Zeitraum von 20. Januar bis 10. Februar 2020 circa 29 Millionen Tweets, also Postings im Netzwerk Twitter, mit falschem Inhalt im Umlauf waren. Und das, obwohl die Kommunikation in und aus den USA nicht in die Untersuchung einbezogen wurde.
Fünf unterschiedliche Formen von Desinformationen lassen sich unterscheiden:
- Frei erfundene, fiktive Inhalte.
- Ursprünglich wahre Informationen, welche beispielsweise durch die Angabe falscher Quellen oder multimedialer Inhalte manipuliert werden.
- Richtige Informationen, die in falschen inhaltlichen oder zeitlichen Zusammenhang gesetzt werden.
- Betrügerische Inhalte, die vorgeben authentisch zu sein. Dies beschreibt auch das sogenannte Phishing durch gefälschte Websites, E-Mails oder Fake-Accounts, um persönliche Daten auszuspähen.
- Falsche Verknüpfungen, indem visuelle Inhalte und Überschriften nicht mit der eigentlichen Meldung übereinstimmen. Hierunter fällt auch das sogenannte Clickbaiting. Dabei werden durch besonders effekthaschende Überschriften Menschen auf bestimmte Webseiten gelockt, um Werbeeinnahmen zu erhöhen.
Verschwörungstheorien und Gerüchte beispielsweise über Missbrauchsskandale, Korruption und Affären sind dafür häufig verwendete Taktiken. Auch Fake News für Satire oder Parodien gehören dazu. Da diese allerdings größtenteils keine aktive Schadensabsicht verfolgen und später aufgeklärt werden, sind sie lediglich der Kategorie der Misinformationen zuzuordnen.
Desinformationen – vorsätzliche Entstehung und Verbreitung von Fake News
Die Diskussion über Fake News ist nicht neu. Schon immer haben Menschen Gerüchte verbreitet und gelogen, um Vorteile zu erlangen. Auch Urheber von gezielten Desinformationen verfolgen klare Ziele. Während häufig monetäre Interessen und die Steigerung von Klickzahlen im Fokus stehen, sind einige falsche Informationen durchaus politisch motiviert.
Die reine Existenz falscher Meldungen ist jedoch noch nicht schädlich. Zum gesellschaftlichen Problem wird das Phänomen erst dann, wenn diese Inhalte massenhaft verbreitet werden. Dabei sind zwei Einflussfaktoren zu betrachten: der Mensch selbst und die Technologie.
Faktor Mensch
Eine Studie der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (PDF, 130 KB) zeigt, dass 42 Prozent der Bevölkerung mit der Identifizierung von Fake News überfordert sind. Obwohl Viele den Inhalten in den sozialen Medien grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen, werden diese dennoch ungeprüft geteilt. Manchmal zum Schutz, zur Warnung oder auch bewusstem Manipulation anderer. Abhängig ist dies von der jeweiligen Persönlichkeit, der Situation (Krisenszenarien) oder ideologischen Ausprägungen. Dies ist eine gesellschaftliche Herausforderung zur Steigerung der digitalen Medienkompetenz.
Menschliche Informationsverarbeitungsmechanismen begünstigt die Verbreitung falscher Informationen. Besonders der so genannte “Truth Effect” wirkt auf alle Menschen – unabhängig ihres Bildungsstandes. Der Effekt beschreibt den Umstand, dass Inhalte durch deren massive Wiederholung als wahr empfunden werden. Auch Meldungen, die besonders kontrastreich gestaltet sind und von den Menschen daher schnell verarbeitet und erfasst werden können, wirken eher korrekt. Moderne Desinformationskampagnen nutzen diese Erkenntnisse, gestalten Fake News entsprechend und nutzen vorrangig digitale Medien.
Faktor Technologie
Insbesondere soziale Medien und das Internet bieten aufgrund der Reichweite und Kommunikationsgeschwindigkeit eine große Angriffsfläche für falsche Informationen. Förderlich ist zudem der Umstand, dass das Geschäftsmodell der Social Media darauf ausgelegt sind, Nutzerinnen und Nutzern “passende” Inhalte anzubieten. Steuern tun dies Daten und Algorithmen. Wenn also beispielsweise viele Menschen eine Nachricht verbreiten, erscheint diese für die Technologie “passend” und wird auch anderen Nutzerinnen und Nutzern des Netzwerkes angeboten. So werden auch Fake News durch Wiederholung für die Algorithmen immer wieder bestätigt.
Das auch im Marketing häufig genutzte “Microtargeting” – also das gezielte Ausspielen von Informationen an eine speziell definierte Zielgruppe – kann dieses Phänomen zusätzlich befeuern. Verursacherinnen und Verursacher von Desinformationskampagnen können so zunächst Anhängerinnen und Anhänger beispielsweise einer Verschwörungstheorie erreichen, die diese Information dann nur zu gerne massenhaft weiter verteilen. Die Algorithmen machen dann den Rest.
Der Einsatz von “Social Bots” kann die Effekte weiter verstärken. Dies sind Profile, hinter denen kein Mensch, sondern ein Algorithmus steckt. Diese generieren massenhaft und automatisiert Inhalte und versuchen, menschliches Verhalten nachzuahmen. Dies ist problematisch, weil Bot-Profile oder auch Fake-Accounts inzwischen häufig nur schwer von realen Personen unterscheidbar sind.
Wie man sich vor Fake News schützen kann
Eine hohe digitale Medienkompetenz bei der Nutzung sozialer Netzwerke und dem Internet ist von elementarer Bedeutung. Um die Gesellschaft dahingehend zu sensibilisieren, gibt es verschiedene Kampagnen, wie beispielsweise im Rahmen des Safer Internet Days #FaktenSchützen. Ganz konkret führen das Netzwerk CORRECTIV und beispielsweise der Medienkanal ARD im Zusammenhang mit Corona Faktenchecks durch und gehen so aktiv gegen Fake News vor. Mimikama, ein Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch, hat sogar eine Suchmaschine für Fakes im Internet aufgebaut. Hier finden sich auch Gegendarstellungen zu verschiedenen falschen Meldungen.
Doch auch solche Initiativen haben Grenzen. Vor allem vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahlen am 26. September ist es umso wichtiger, selbst genau hinzusehen. Die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes rät im Umgang mit Informationen – gerade in den sozialen Netzwerken:
- Achten Sie auf die Quelle: Überprüfen Sie das Impressum und die Herkunft des Inhalts!
- Suchen Sie nach Fakten: Sind die Behauptungen wahr und plausibel?
- Fragen Sie sich immer: Sind die Bilder echt? Hängen Bild und Text wirklich zusammen?
- Ist der Inhalt aktuell? Nutzen Sie eine Suchmaschine und dort den Bereich „News“, um zu prüfen, ob die Inhalte bereits früher im Umlauf waren.
Abschließend möchte ich betonen: Auch wenn die Gefahren durch Fake News bestehen, sind die Möglichkeiten und der Nutzen der sozialen Netzwerke größer. Vergangene Krisen haben gezeigt, das eine dort schnell massenhaft verbreitete Information helfen kann. Auch Strafverfolgungsbehören nutzen inzwischen die Reichweiten der Netzwerke. Letztlich lassen sich durch gute Behördenkommunikation verifizierte Fakten ebenfalls gezielt verbreiten.
Daher lassen Sie sich nicht verunsichern, betrachten Sie die Meldungen mit gesundem Menschenverstand und prüfen Sie die Inhalte, bevor Sie diese einfach weiter verbreiten.
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