17. Mai 2023

Digitale Barrierefreiheit: Menschen mit Einschränkungen helfen

Beschäftigte mit Einschränkungen aus der gesamten Münchner Stadtverwaltung testen interne und externe Anwendungen von Kolleg*innen auf Digitale Barrierefreiheit.

Eine Erfolgsgeschichte für beide Seiten

Die Welt wird zunehmend digitaler. Sowohl im Alltag als auch im Beruf nutzen viele Menschen eine wachsende Anzahl von digitalen Anwendungen, Dokumenten oder Apps. Viele dieser digitalen Angebote sind jedoch für Menschen mit Einschränkungen oder Behinderungen nur schwer zu bedienen, denn sie sind nicht digital barrierefrei.

Dabei ist Digitale Barrierefreiheit längst keine optionale Anforderung mehr. Bürger*innen haben mittlerweile einen rechtlichen Anspruch auf eine barrierefreie digitale Kommunikation. Und dennoch sieht die Realität oft anders aus.

Digitale Barrieren schließen viele Menschen aus

Foto: LHM

Blinde Nutzer*innen sind beispielsweise nicht in der Lage, die auf einer Webseite dargestellten Bilder und Schaltflächen zu erfassen, wodurch ihnen die digitale Teilhabe verwehrt bleibt.

Eine Lösung liegt in der Nutzung von Screenreadern: Sie wandeln den Text auf dem Bildschirm in eine zugängliche Form um, indem dieser durch eine synthetische Stimme gesprochen oder auf einer Braille-Zeile (Blindenschrift) angezeigt wird. Damit Menschen mit Seheinschränkungen den Inhalt einer Webseite mithilfe von Screenreadern erfassen können, sollten die Bilder und Schaltflächen daher mit Alternativtexten hinterlegt werden.

Dies ist nur ein Beispiel, welche digitalen Barrieren existieren. Auch Menschen mit Bewegungsbeeinträchtigungen, Hörbehinderungen oder kognitiven Beeinträchtigungen werden durch diese von der selbstbestimmten Teilhabe am digitalen Leben ausgeschlossen.

Expertendatenbank für digitale Barrierefreiheit

Foto: LHM

Für Menschen ohne Einschränkungen sind digitale Barrieren oft nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Deshalb kann es ihnen schwerfallen, digitale Angebote in Form von Websites, Anwendungen, Apps oder digitalen Dokumenten barrierefrei zu erstellen.

Bei der Landeshauptstadt München gibt es aus diesem Grund seit 2022 ein außergewöhnliches kommunales Angebot: Städtische Kolleg*innen mit einer Einschränkung testen digitale Angebote auf ihre Barrierefreiheit.

Dabei kann es sich um interne und externe Dokumente, Anwendungen oder auch Online-Services wie die Beantragung von Briefwahlunterlagen handeln.

Mit den Leuten reden ist besser als über die Leute reden

Foto: LHM

In der Datenbank findet man aus einem Kreis von Beschäftigten mit Seh- und Höreinschränkungen, Störungen aus dem Formenkreis des Autismus und motorischen Einschränkungen einen Ansprechpartner. Sie geben den Projektverantwortlichen eines digitalen Angebots Feedback, welche groben Barrieren bestehen und wie diese beseitigt werden können

Auch Hans Maier, ein Kollege aus dem IT-Referat, testet in Absprache mit seiner Führungskraft digitale Angebote auf Barrierefreiheit. Das Angebot der Expertendatenbank ist für ihn wichtig, da bei diesem der Grundgedanke der Inklusion gelebt wird und Menschen mit Einschränkungen aktiv einbezogen werden. Maier ist blind und arbeitet deshalb mit einem Screenreader. Er meint:

 

Wer könnte Digitale Barrierefreiheit besser beurteilen als Menschen, die selbst eingeschränkt sind?

Hans Maier IT-Referat, Landeshauptstadt München

Gemeinsam auf dem Weg zur Inklusion

Bei seiner Überprüfung achtet er beispielsweise darauf, ob es unverständliche Sonderzeichen gibt, die Bilder mit Alternativtexten hinterlegt sind oder er mit seinem Screenreader alle Menüpunkte aufrufen kann. Auch der Verantwortliche für die Expertendatenbank, Patrick Winkler, verspricht sich viel von der Expertendatenbank:

Die Expertendatenbank ist eine tolle Möglichkeit, um ein erstes grobes Feedback zu möglichen Barrieren zu erhalten.

Patrick Winkler IT-Referat, Landeshauptstadt München

Expertendatenbank unterstützt und sensibilisiert

Patrick Winkler koordiniert und steuert die gesamte Datenbank und bringt so Projektverantwortliche und Beschäftigte mit Einschränkungen zusammen. Dabei sieht er sich das digitale Angebot zunächst an und entscheidet, welche Überprüfung Sinn macht. Wurde das Angebot von der Expertendatenbank geprüft, gibt Patrick die Rückmeldung an die Projektverantwortlichen zurück.

Die Kolleg*innen der Datenbank unterstützen die Projektverantwortlichen somit nicht nur bei der Erstellung barrierefreier, digitaler Angebote. Die Verantwortlichen werden gleichzeitig sensibilisiert, wie die Menschen der unterschiedlichen Behindertengruppen digitale Angebote lesen und welche Barrieren aufkommen können.

Was München unternimmt, um Barrierefreiheit zu gewährleisten

Es ist wichtig zu wissen, dass die Expertendatenbank keinen professionellen BITV-Test ersetzt, der nur durch zertifizierte Prüfstellen durchgeführt werden darf. Bei diesem Test wird die Barrierefreiheit einer Webseite oder Anwendung nach den Anforderungen der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) in Deutschland überprüft.

Die Datenbank ist zudem nur eine von vielen Maßnahmen im Bereich der Digitalen Barrierefreiheit: Die Landeshauptstadt München unternimmt vieles, um Digitale Teilhabe für alle zu ermöglichen. So stellt sie beispielsweise digitale Angebote in Leichter Sprache und künftig den Kommunalen Gebärdensprach-Avatar bereit.

Ein Beitrag von:

Patrick Winkler,
Webmanagement, IT-Referat, LHM