20. April 2023

Interview: Softwareentwickler*innen bei der Stadt München

Julia Lehmann und Daniel Oberhammer vom IT-Referat erzählen aus dem Alltag in der Softwareenwicklung und was den Job so spannend macht.

Dual-Studium als Ticket zur städtischen IT

Hallo Julia, Hallo Daniel, wie kam es dazu, dass Ihr im IT-Referat in der Anwendungsentwicklung tätig seid?

Daniel: Ich bin 2018 bei der Stadt München in ein duales Studium zum Wirtschaftsinformatiker eingestiegen. Während des Studiengangs habe ich zwei Tage pro Woche an der Hochschule für Ökonomie und Management Wirtschaftsinformatik studiert und an den restlichen drei Tagen in diversen Abteilungen bei der Stadt München Praktika absolviert. Seit 2021 arbeite ich beim IT-Referat im Competence Center Software Engineering im Geschäftsfeld Kundenmanagement des städtischen Eigenbetriebs it@M als Entwickler und Technical Requirements Engineer . Da geht es hauptsächlich darum, mit Hilfe unserer Referenzarchitektur Projekte umzusetzen. Im Projekt bin ich für die technische Umsetzung verantwortlich und tausche mich mit den beteiligten Fachabteilungen aus.

Julia: Ich habe ein Jahr vor Daniel bei der Stadt München mein duales Studium zur Wirtschaftsinformatikerin begonnen und habe dieses im September 2020 abgeschlossen. Seitdem bin ich fest angestellt. Meine erste Tätigkeit war im Innovation Lab bei it@M. Seit Anfang 2022 bin ich nun auch im Competence Center Software Engineering von it@M als Softwareentwicklerin angestellt.

Der Reiz für die städtische IT zu arbeiten

Foto: Quelle: Privat Softwareentwicklerin Julia Lehmann, IT-Referat

Als Entwicklerin und Entwickler stehen Euch sicherlich viele Wege offen, auch in der Privatwirtschaft. Was hat Euch daran gereizt, für das städtische IT-Referat zu arbeiten?

Julia: Zum einen finde ich es spannend, Einblick in die IT einer Stadt wie München zu haben: Ich war schon im Studium in verschiedenen Abteilungen, um zu sehen, was die IT am Laufen hält und wie es mit der Digitalisierung vorangeht. Zum anderen finde ich es schön, dass man im IT-Referat die Arbeit der Beschäftigten aus anderen Referaten erleichtert.

Daniel: Bei mir ist es ähnlich. Als ich die Studiengänge verglichen habe, war der Studiengang Wirtschaftsinformatik bei der Stadt für mich am attraktivsten, weil mir das Studienmodell gefallen hat: zwei Tage Uni, drei Tage Arbeit. Das ist relativ praxisnah. Auch die Möglichkeit, während des Studiums Einblicke in verschiedene Abteilungen zu gewinnen, hat mich überzeugt. Ich konnte verschiedene Referate und Abteilungen kennenlernen und herausfinden, welcher Job in welcher Abteilung das Richtige für mich ist. Der technische Bereich hat mich fasziniert, deshalb habe ich mich für die Abteilung Competence Center Software Engineering entschieden.

Agile Entwicklung und Jobroutine im Einklang

Foto: Quelle: Privat Softwareentwickler Daniel Oberhammer, IT-Referat

Wie kann man sich den Job von Entwicklerinnen und Entwicklern bei der Stadt vorstellen? Gibt es einen typischen Arbeitsalltag?

Daniel:  Ich habe keinen Alltag, bei dem ich jeden Tag das gleiche mache. Das Ganze ist abwechslungsreich und vielfältig. Als Entwickler programmiere ich täglich in einem gewissen Maß und schaue mir umzusetzende Features an. Ich führe regelmäßig Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen aus den Fachbereichen über die Vorgehensweise im Projekt. Um meine Aufgabe zu verstehen, muss man wissen: Die Stadt wechselt immer weiter vom Wasserfallmodell für Projektmanagement zum agilen Vorgehen. Bisher hieß es: „Hier hast Du jetzt ein 500-Seiten-Dokument und da stehen alle Anforderungen drin, die ausgearbeitet werden sollen.“ Bei der agilen Entwicklung, wie wir sie verstehen, entwickeln wir das Ganze zusammen Schritt für Schritt mit dem Fachbereich. Ich führe Gespräche, nehme projektgebundene Aufgaben wahr, die nicht Programmiertätigkeit sind. Das sind zum Beispiel Refinement-Termine, in denen wir die User-Stories miteinander besprechen, oder Demo-Termine, an denen wir das Ganze vorstellen. Tägliche Routineaufgaben sind beispielsweise auch Daily Scrum Meetings oder der Austausch mit technischen und fachlichen Testerinnen und Testern.

Julia: Ja, man ist viel mehr mit den Kolleginnen und Kollegen der Fachabteilung in Kontakt und kann sich zu Anforderungen und gewünschten Änderungen gemeinsam abstimmen. Diese Abstimmung findet in regelmäßigen, hybriden Terminen statt, sodass die Teilnahme sowohl vor Ort als auch remote möglich ist. Durch diesen kontinuierlichen Austausch können wir die Anwendung gemeinsam entwickeln.

Wie sieht Euer Arbeitsplatz aus?

Julia: Ich arbeite zum Großteil im Homeoffice. Als Entwicklerin brauche ich nicht viel. Ich habe meinen Laptop, zwei Bildschirme, Maus, Tastatur und Headset. Damit kann ich alles machen. Die Laptops unterscheiden sich an einer Stelle von den Standardgeräten anderer Beschäftigten: Wenn wir etwas entwickeln, dann läuft es erst mal lokal auf unserem Rechner. Die Standard-Laptops reichen da ab und zu nicht aus. Das heißt, wir haben die Möglichkeit, das gleiche Modell mit mehr Speicher und einer besseren CPU zu erhalten. Diese Sonderausstattung erleichtert uns das Testen.

An wie vielen Projekten im Jahr arbeitet Ihr? Und wie viele aus der Entwicklung sind an einem Projekt beteiligt?

Daniel: Das hängt von der Projektgröße ab. Es gab Jahre, in denen es eins oder zwei waren. Wir von der Entwicklung haben noch Aufgaben wie zum Beispiel das Lifecycle Management, bei dem wir betrachten, wie neue Technologien eingesetzt werden könnten oder wie die Integration neuer Versionen von aktuellen Technologien in die städtische IT-Infrastruktur gelingt.  In meinem aktuellen Projekt sind wir zu fünft.

Julia: Es kommt immer auf die Größe vom Projekt und auf die verfügbare Personalkapazität an. In meinem Projekt sind wir zu viert.

Jetzt kommen wir zu den Highlights im Arbeitsalltag: Was waren die spannendsten Projekt? Was motiviert Euch besonders?

Julia: Aktuell bin ich im Projekt “Schulweghelfer” involviert. Das ist eine Anwendung zur Verwaltung von Schulweghelferinnen und Schulweghelfern, in der auch Aufwandsentschädigungen nach Einsatz pro Tag berechnet werden.
Dahinter steckt viel Logik und es war interessant, diese zu implementieren. Wenn ich einen Testfall geschrieben habe und mein Code funktioniert, dann ist das für mich definitiv ein Highlight bei der Arbeit.

Daniel: Mich motiviert es unheimlich, wenn ich mit den Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern im Fachbereich über ihre Anwendung oder ihre gewünschten Features diskutiere und sie weiterbringen kann.
Spaß habe ich auch an neuen Technologien, wenn ich sie ins Projekt einführen kann. Aktuell läuft in Zusammenarbeit mit dem Kreisverwaltungsreferat (KVR) das große Projekt Wahlschulungsverwaltung, das sich über mehrere Jahre erstreckt. Der Fachbereich Wahlamt soll künftig die Möglichkeit haben, über die Anwendung Schulungen zu organisieren, Trainerinnen und Trainer sowie Schulungsorte zu verwalten.

Gängige Klischees von gestern

Mögliche Vorurteile zu Jobs bei der Stadt sind beispielsweise: starre Strukturen, veraltete Technologie, langsame Prozesse. Was sagt ihr dazu? Werdet ihr damit konfrontiert? Wie würdet ihr versuchen, dagegen zu halten?

Julia: Wirklich konfrontiert werde ich damit nicht. Die meisten sind interessiert, was man bei der Stadt macht. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Leute so denken. Aus meiner Sicht hat dies aber auch keine Berechtigung. Durch das agile Arbeiten ist die Vorgehensweise modern. Auch mit Scrum haben wir uns von den alten, starren Strukturen gelöst. Somit organisiert sich unser Team zunehmend selbst. Wir haben intern geprüft, wie wir die Führungsaufgaben
verteilen und die Team-Mitglieder mehr einbinden können.

Daniel: Ich kann nur teilweise zustimmen. Wir sind eine Behörde – das IT-Referat muss gewisse Prozesse einhalten, und diese dauern manchmal auch länger. Aber ich sehe durchaus Fortschritte, da der Wandel kontinuierlich vorangetrieben wird. Durch die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Vorgänge, wie zum Beispiel Ausschreibungen, können wir manchmal nicht so schnell agieren, wie dies ein Unternehmen in der Privatwirtschaft kann.

Julia: Ja, die gewachsenen städtischen Strukturen begrenzen manchmal unsere Möglichkeiten. Ich denke aber, dass bestimmte Vorgaben für eine öffentliche Verwaltung auch ihre Berechtigung haben. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen können wir die Prozesse gestalten, Hierarchien in den Abteilungen abbauen und den Kulturwandel fördern.

Kann die Stadtverwaltung mit der Privatwirtschaft konkurrieren?

Daniel: Rein auf Technologie-Basis, ja. Wir sind vielleicht nicht ganz so experimentierfreudig wie größere Firmen. Aber wir liegen kein Stück hinter der Privatwirtschaft zurück, vor allem bei der Verwendung von Technologien wie Frameworks und Programmiersprachen sind wir da recht weit vorne dabei. Durch stetiges Lifecycle Management unserer Anwendungen können wir auch mit den neuesten Versionen und Features eines Frameworks oder einer Programmiersprache arbeiten. Wir bemühen uns up-to-date zu sein, vor allem wenn wir selbst die Programme mithilfe unserer Programmiersprachkenntnisse und Tools entwickeln.

Die Stadt München als Ausbilderin für IT-Interessierte

Vielen Dank für den spannenden Einblick in Euren Arbeitsalltag bei der Stadt München und Euren Werdegang. Für alle IT-Interessierten abschließend noch eine Frage: Warum würdet Ihr die Stadt München als Ausbilderin weiterempfehlen?

Julia: Das duale Studium würde ich weiterempfehlen, weil es abwechslungsreich ist, man viele Einblicke in die verschiedenen Bereiche der Stadtverwaltung gewinnt und gleich Arbeitserfahrung sammelt. Außerdem motiviert es mich, Teil der Digitalisierung der Stadtverwaltung zu sein und etwas für die Stadtgesellschaft zu tun. Als städtische Beschäftigte haben wir zudem eine gute Work-Life Balance. Beim IT-Referat schätze ich die Möglichkeit zum Homeoffice, sowie das flexible Arbeitszeitmodell.

Daniel: Was ich dem noch hinzufügen möchte: Durch das Studium der Wirtschaftsinformatik und auch durch das IT-Referat ist man nicht unbedingt dazu verpflichtet, später als Entwickler*in zu arbeiten. Es gibt diverse Stellen bei der Stadt und im Laufe des Studiums kann man sich entscheiden, was am besten zu einem passt. Technik-affine Menschen können in der reinen Entwicklung starten. Genauso gut gibt es bei uns im IT-Referat auch die Möglichkeit, in andere weniger technisch orientierte Bereiche zu gelangen wie zum Beispiel das Projekt- oder Anforderungsmanagement.

Ein Beitrag von:

Monica Neuböck,
IT-Öffentlichkeitsarbeit, IT-Referat, LHM