Passantenfrequenz - Sensoren und die Belebtheit der Innenstadt
Wie Sensoren zur Messung von Passantenströmen zu einer "Wiederbelebung der Innenstädte" beitragen.
Wie lässt sich messen, ob eine Innenstadt "belebt" ist?
Der klassische Indikator für die Attraktivität und die Belebtheit einer Innenstadt ist ihre Frequentierung, also die Zahl der Personen, die sich in der Innenstadt beziehungsweise ihren Teilbereichen aufhalten.
Zur Messung der Passantenfrequenz wurden bislang klassische Verkehrszählungen durchgeführt. Meist bedeutet das: An "typischen" Tagen zählen Personen an verschiedenen Orten manuell via Strichliste, wie viele Passanten an der entsprechenden Stelle vorbeigehen. Als typische Tage wird hier meist der Dienstag (teilweise Donnerstag) und ergänzend der Samstag gewählt, der für den Einzelhandel besonders relevant ist. Vermieden werden die Schulferien, Wochen mit Feiertagen oder die Vorweihnachtszeit. Das Ergebnis soll den "Normalfall" widerspiegeln. Damit wird jedoch ein sehr enger Fokus gelegt. Weitere Einflussfaktoren wie Wetter, Veranstaltungen oder die Jahreszeiten werden nicht berücksichtigt.
Sensorgestützte Messung von Passantenfrequenzen
In Zeiten der Digitalisierung gehören manuelle Zählungen mit Klemmbrett und Strichlisten meist der Vergangenheit an. Moderne Sensorik ermöglicht es mittlerweile, rund um die Uhr präzise Messungen von Passantenfrequenzen durchzuführen. Die Erfassung erfolgt vollständig anonym und datenschutzkonform. In der Münchner Innenstadt betreibt der Anbieter hystreet.com eine Sensorinfrastruktur, die mit Hilfe von Laserscannern in der Lage ist, aussagekräftige und zuverlässige Messdaten für acht Abschnitte in den Fußgängerzonen der Münchner Innenstadt zu liefern (Kaufingerstraße, Maximilianstraße, Neuhauser Straße Ost, Neuhauser Straße West, Schützenstraße, Sendlinger Straße, Tal und Theatinerstraße).
Neben der reinen Zählung sind die Laserscanner in der Lage, die Laufrichtung der Passanten zu bestimmen und darüber hinaus auch zwischen Kindern und Erwachsenen zu unterscheiden. Personenbezogene Daten werden mit dieser Methode nicht erhoben und Laufwege nicht nachverfolgt.
Zu jedem Messwert werden zusätzlich Wetterdaten des Standorts erfasst, die noch einmal wertvollen zusätzlichen Kontext liefern.
Die Zielsetzung war es, den Fachbereichen der Stadtverwaltung diese Messdaten in aufbereiteter Form zur Verfügung zu stellen und sie damit in die Lage zu versetzen, die Daten als Analyse- und Evaluierungsinstrument für die Belebung der Innenstadt einzusetzen.
Datenworkflows und Sensordateninfrastruktur
Sensoren erfassen ununterbrochen neue Messwerte. Im Falle der Passantendaten stehen viertelstündliche Werte zur Verfügung. Diese Daten müssen zunächst vollautomatisiert über eine API integriert, strukturiert und historisiert werden. Neben den aktuellen Messwerten sind dann auch Langfristanalysen und die Ermittlung individueller Referenzwerte möglich – etwa für relevante Zeiträume, Standorte oder Wetterbedingungen. Genutzt wird hierbei der FROST®-Server, mit dem Daten über die standardisierte „OGC SensorThings API“ bereitgestellt werden können.
Datenvisualisierung und -analyse in Passantenfrequenz-Dashboards
Für die Auswertung der Passantenzähldaten treten dann Funktionalität und visuelles Erscheinungsbild in den Vordergrund. In einer Analyse der Anwendungsfälle wurden verschiedene Anforderungen formuliert. Vier Funktionen können dabei besonders hervorgehoben werden: Darstellung von Geoinformationen auf Karten, umfangreiche Filterfunktionen, zeitliche und räumliche Vergleichsfunktionen und historisierte Speicherung von Messdaten.
Die fachlichen Nutzer*innen bekommen die Daten über ein interaktives Dashboard mit Diagrammen und Tabellen aufbereitet. Da die Standorte der Sensoren von großer Bedeutung sind, dürfen auch kartografische Darstellungen nicht fehlen. Als Dashboard-Software fiel die Wahl auf die Open Source-Lösung Kibana.
Filter und die Bedeutung historisierter Daten
Mit dem Dashboard ist es für die Fachbereiche der Stadtverwaltung möglich, die Passantenströme beispielsweise nach Fußgängerzone, Wochentag oder Witterung zu filtern und je nach Bedarf einzelne Komponenten oder das gesamte Dashboard auf einen bestimmten Betrachtungszeitraum einzugrenzen.
Die historisierten Daten sind dabei von besonderer Bedeutung. Denn während es hier weniger um eine aktuelle Steuerung des Fußverkehrs geht, stehen Aspekte der Stadtentwicklung oder der Wirtschaftsförderung im Fokus. Das bedeutet, dass Analysen über längere Zeiträume wie auch enge Zeitfenster möglich sein müssen – und das über Jahre hinweg. Entsprechend lassen sich die Zählwerte innerhalb eines individuell wählbaren Zeitraums miteinander vergleichen, um beispielsweise die Veränderungen zum Vorjahr oder der Vorwoche auswerten zu können. Hierdurch lassen sich beispielsweise die Einbrüche in den Passantenzahlen in der Innenstadt zur Hochzeit der Covid-19 Pandemie sehr deutlich erkennen. Aber auch die Wirkung von Veranstaltungen, vom Stadtgeburtstag bis zur Fußball-Europameisterschaft, lassen sich monitoren.
Der Einfluss des Wetters
Besonders wertvoll ist dabei auch, dass das System aussagekräftige Referenzwerte ermitteln kann, etwa aufgrund von Wetter oder Zeit. Denn während bei langfristig geplanten Zählungen mit dem Klemmbrett das Wetter einen großen Einfluss auf die Ergebnisse hat, sind die Sensoren stets im Einsatz. Bei Analysen können also wichtige Rahmenparameter berücksichtigt werden und die Aussagekraft der Ergebnisse wird erheblich gesteigert.
Zu jedem Messwert der Passantenfrequenz werden daher auch Temperaturdaten und Witterungsbedingungen gespeichert und stehen als Filter- bzw. Analysefunktionen im Dashboard zur Verfügung. So lassen sich etwa die Passantenzahlen in Abhängigkeit der Temperatur, Witterungsbedingungen und Tageszeit gezielt auswerten.
Sensoren und die Belebung der Innenstadt
Die Anbindung von Sensordaten zur Passantenfrequenz in der Innenstadt, ihre Historisierung und Aufbereitung in einem Dashboard bietet ein wesentliches Analyse- und Evaluierungsinstrument für die Belebung der Innenstadt. Die Informationen, die im Rahmen des Förderprojekts REACT-EU erschlossen und über den Digitalen Zwilling München zugänglich gemacht wurden, ermöglichen eine langfristige Analyse der Entwicklung der Passantenfrequenzen an relevanten innerstädtischen Standorten. Dies umfasst ein langfristiges Monitoring zur Identifikation von Handlungsbedarfen sowie eine Indikation zur Messung der Wirksamkeit von Maßnahmen im Sinne der Belebung der Innenstadt.
Ein Beitrag von:
Alexander Mayr, Johannes Krämer und Sebastian Freller
GeodatenService München, Landeshauptstadt München
Gefördert durch:
Dieses Projekt wurde vom Freistaat Bayern und der Europäischen Union aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) als Teil der Reaktion der Union auf die COVID-19-Pandemie finanziert.